Siegerlandmuseum im Oberen Schloss

Matthias Opitz

Das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss ist ein Regionalmuseum mit kunst- und kulturgeschichtlichem Schwerpunkt. Es wurde im Jahr 1905 eröffnet und seitdem beständig erweitert. Auf etwa 1500 m² Ausstellungsfläche wird die Geschichte des Siegerlands als historische Region dargestellt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der dynastischen Geschichte der Fürstenhäuser Nassau-Oranien und Nassau-Siegen, der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung der Region sowie der städtischen Wohnkultur. Auch berühmte und bedeutende Siegerländer Persönlichkeiten werden berücksichtigt. Großen Bekanntheitsgrad genießen der Rubenssaal mit der Sammlung von Gemälden des weltberühmten flämischen Barockmalers Peter Paul Rubens (1577-1640) sowie das unterirdische Schaubergwerk.

Sachgeschichte

Die Idee, in Siegen ein Museum einzurichten, geht bis in das 19. Jahrhundert zurück. 1892 veröffentlichte die Siegener Zeitung einen Leserbrief, in dem zur Gründung eines „siegerländischen Museums“1) aufgerufen wurde. Der Autor, der in Marburg lebende Oberbibliothekar Professor Dr. Fabricius, plädierte für ein „ethnographisch-kulturhistorisches Museum des Siegerlandes“, welches die Eigenarten der Siegerländer und ihre Kultur darstellen und „das Festhalten an alter Siegerländer Art und Sitte (…) befördern“ sollte.

Der in Graz lebende Archäologe Dr. Otto Fischbach schlug daraufhin vor, das Museum „am besten wohl im historisch so interessanten alten Schloss“2) unterzubringen. Obwohl die Öffentlichkeit sich diesen Plänen gegenüber aufgeschlossen zeigte – schon der königlich-preußische Minister für Handel und Gewerbe Heinrich von Achenbach hatte sich für ein Museum in Siegen ausgesprochen – sollte es einige Jahre dauern, bis die Idee in die Realität umgesetzt werden konnte. Eine wichtige Vorgängerinstitution des Museums im Oberen Schloss war das Schulmuseum des Siegener Realgymnasiums, welches der Oberlehrer Dr. Gustav Eskuche gegründet hatte. Die von ihm ins Leben gerufene Sammlung bildete den Grundstock des späteren Siegerlandmuseums. Am 14. September 1903 beschloss die Stadtverwaltung die Einrichtung eines „Siegener Landesmuseums“. Die Initiatoren (Fabricius, Fischbach und der Siegener Baurat Johannes Scheppig) hatten einen Musentempel im Sinn, in dem die Geschichte des Siegerlandes ausgestellt werden sollte. Das im März 1905 eröffnete Museum umfasste zunächst jedoch nur drei Räume des Oberen Schlosses.

1910 trat der Oberlehrer Dr. Hans Kruse in die Museumsverwaltung ein und bemühte sich fortan, unterstützt vom 1911 gegründeten Verein für Heimatkunde und Heimatschutz, energisch um den Ausbau des Museums. So richtete er etwa 1914 ein Rubenszimmer mit einer Sammlung von Kopien und Fotos ein. Finanziellen und personellen Schwierigkeiten sowie stark schwankenden Besucherzahlen zum Trotz wuchs die Sammlung des Museums bis zur 700-Jahr-Feier der Stadt Siegen im Jahr 1924 auf etwa 1000 Exponate an.3) 1927 sorgte eine von Kruse inszenierte Rubens-Ausstellung für Besucherrekorde und wenig später stiftete die aus Siegen stammende Unternehmergattin Marie Flick dem Museum das erste Originalgemälde des Malers. 1929 wurde Kruse hauptamtlicher Museumsleiter und bekleidete diesen Posten bis zu seinem Tod im Jahr 1941.

In den 1930er Jahren schritten Ausbau und Erweiterung des Museums erheblich voran. Ein an der Engsbach ausgegrabener Rennofen aus der La-Tène-Zeit und die aus hessischem Schlossbesitz erworbene Oraniersammlung ergänzten die Kollektion. Die Ausstellung „Der deutsche Berg- und Hüttenmann“, die anlässlich des Westfalentags 1938 gezeigt wurde, war Anlass zur Errichtung des Schaubergwerkes, das unter dem Schlosshof entstand und noch heute besichtigt werden kann.

Während des Zweiten Weltkriegs blieb das Museum zunächst geöffnet. Nach dem Luftangriff vom 16. Dezember 1944, bei dem auch das Obere Schloss schwer getroffen wurde, war ein weiterer Museumsbetrieb jedoch unmöglich geworden. Zahlreiche Exponate waren zerstört oder mussten ausgelagert werden.

Auslagerung verschiedener Museumsgegenstände 1953-1954

Der Wiederaufbau nach Kriegsende gestaltete sich schwierig. Es mangelte an Geld und Personal, zudem musste das Museum Räumlichkeiten an die Webwerkstatt der Mädchenberufsschule sowie die Städtische Bibliothek und das Stadtarchiv abtreten.

In den 1960er und 70er Jahren gab es zaghafte Versuche, das Siegerlandmuseum volkstümlicher zu gestalten. Erst der 1980 als Museumsdirektor angetretene Dr. Jürgen Schawacht nahm jedoch tiefgreifende konzeptionelle Änderungen in Angriff. Er legte großen Wert auf die wirtschaftsgeschichtliche Abteilung des Museums und wollte insbesondere die Geschichte des Berg- und Hüttenwesens im Siegerland darstellen. 1998 übernahm Prof. Dr. Ursula Blanchebarbe die Museumsleitung und konnte noch im selben Jahr 1000 Grafiken der Rubens-Werkstatt in Antwerpen zum Preis von 100.000 Mark für das Museum erwerben. Die Grafiken wurden seitdem bei zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt.

Im Jahr 2004 standen aufwändige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an. Klimatechnik, Brandschutz und Sicherheitssysteme wurden auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Zwischen 2012 und 2014 musste der Grafentrakt aufgrund von gravierenden Mängeln fast komplett entkernt und rekonstruiert werden. Die Veränderungen seit der Jahrtausendwende waren jedoch nicht nur baulicher Natur. In den vergangenen Jahren wurden alle Sammlungsbereiche des Museums neu aufgestellt und die neue Abteilung Wohnkultur mit Möbeln aus dem 19. Jahrhundert, vor allem aus der Zeit des Biedermeier (etwa 1815-1848), eingerichtet. Im April 2017 folgte die Eröffnung der neu konzipierten stadtgeschichtlichen Abteilung. Künftige Herausforderungen liegen vor allem in der Erschließung und musealen Aufbereitung der Siegerländer Ur- und Frühgeschichte.

Erinnerungskulturelle Debatten

Das Siegerlandmuseum genießt nicht zuletzt aufgrund seines Standortes im Oberen Schloss eine große Bekanntheit. Es wird in diversen Tourismusportalen als Ausflugsziel angepriesen und dementsprechend oft von Individualtouristen sowie von Reisegruppen besucht. Darüber hinaus dient es als außerschulischer Lernort und ist durch museumspädagogische Angebote auf Besuche von Schulklassen vorbereitet.

Wie auch die historische Schlossanlage selbst ist das Siegerlandmuseum ein vielschichtiger Erinnerungsort. Viele Menschen assoziieren mit dem Museumsbesuch wahrscheinlich vor allem persönliche Eindrücke und Erlebnisse bei einem Tagesausflug oder einem anschließenden Spaziergang im Schlosspark. Personen hingegen, die das Museum mit der Absicht besucht haben, sich über die Geschichte des Siegerlandes zu informieren, wertschätzen es vermutlich eher als Einrichtung zur Bewahrung und Präsentation der Vergangenheit.

Nicht nur das Museum als Ganzes, sondern auch einzelne Exponate oder komplette Abteilungen wie auch Teile der Ausstellungen können zu Erinnerungsorten werden. Bei einer studentischen Befragung von Bürgerinnen und Bürgern im Jahr 2016 gab die Mehrzahl der befragten Personen an, sich an das Siegerlandmuseum vor allem im Zusammenhang mit dem Schaubergwerk unter dem Schlosshof zu erinnern. Dies hängt vermutlich mit seinem Erlebnischarakter zusammen. Obwohl es sich bei dem gut 100 m langen Stollen nicht um einen authentischen historischen Ort handelt, ist der Besuch eine eindrucksvolle Erfahrung. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass der Erzbergbau im Siegerland eine lange Tradition und einen großen ideellen Stellenwert für die Siegerländerinnen und Siegerländer besitzt

Gleich nach dem Schaubergwerk gehört Peter Paul Rubens (1577-1640) zu den Erinnerungsorten, die am häufigsten mit dem Siegerlandmuseum assoziiert werden. Die Bedeutung des berühmten Malers für das Museum ist schon daran zu erkennen, dass sein Selbstportrait die Eintrittskarten ziert. Seit der Gründung des Museums wurde Rubens‘ Verbindung zu Siegen immer wieder durch Sonderausstellungen und Werbemaßnahmen betont. Gleichzeitig wuchs die Sammlung von Exponaten in der Dauerausstellung. Inzwischen verfügt das Siegerlandmuseum über neun Originalbilder und etwa 1000 Grafiken des berühmten Malers. Diese prestigeträchtige Kollektion prägt natürlich die Außenwahrnehmung des Museums. Man kann dennoch nicht davon ausgehen, dass die Verbindung zwischen Rubens und dem Siegerlandmuseum allen Bürgerinnen und Bürgern bekannt ist. Der Aussage „Ich kenne nur die großen Rembrandtschinken“4) aus einer 1968 von der Siegener Zeitung durchgeführten Umfrage über das Siegerlandmuseum würden auch heute sicher noch manche zustimmen.

Da das Obere Schloss eine Nebenresidenz der Großfamilie der Nassauer war, zählen auch die Fürstenhäuser Nassau-Oranien und Nassau-Siegen zu den Erinnerungsorten, die eng mit dem Siegerlandmuseum verbunden sind. Die Erinnerungen an die Nassau-Oranier bündeln sich besonders im Oraniersaal, wo Portraits von Fürst Wilhelm I. (1533-1584), genannt der Schweiger, und seiner Familie zu sehen sind.5) Wilhelm I. ist heute vor allem als Symbolfigur für den Freiheitskampf der Niederlande gegen die spanische Krone bekannt und dürfte daher auch für Besucherinnen und Besucher aus den Niederlanden eine wichtige Rolle spielen. Dem Haus Nassau-Siegen und insbesondere Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604-1679) ist ebenfalls eine Abteilung der Dauerausstellung des Museums gewidmet. Fürst Johann Moritz dürfte für die Siegener Bürgerinnen und Bürger schon allein dadurch eine wichtige Rolle spielen, dass er der Stadt Siegen 1658 das Krönchen auf der Nikolaikirche stiftete.

Quellen

Der Heimatdichter Adolf Wurmbach (1891-1968) über das Siegerlandmuseum

(abgedruckt in: Siegerland. Blätter des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten Bd. 17 (1935), S. 92.)

Nach einem Gang durch ein Heimatmuseum 
(Museum des Siegerlandes)

Wer andachtsvoll durch diese Räume schritt,
Dem ist es wohl geschehn,
Daß diese Räume lebten.
Urväterzeit ward ihm Gestalt,
Die aus sich selber leuchtet noch und wärmt
In alten Hausrats edlen Formen – 
Und wärs in einem Steinkrug bloß, in dessen Blumenstück
Der unbekannte Meister
Den Reichtum seiner Seele goß, - 
Sei es in einem Grubenlicht,
Der ew‘gen Lampe in dem Haus der Väter,
Die schlecht und recht ein wackrer Dorfschmied schuf, - 
Sei es in einer Truhe, liebevoll und geschnitzt, 
Die dein Behagen weckt, sooft dein Blick sie streichelt:

Die Seele all der Dinge spricht dich an, 
Und Totes lebt!
Es ist ein Stück von dir.

Und wenn du sinnen standst
Dann im Oraniersaal
Und neigtest ehrfurchtsvoll 
Dich vor Wilhelmus‘ ragender Gestalt,
Dann wars,
Dass deine Heimat weitete sich dir zur Welt – 
Und in dem stillen Raum,
Durch den der Heimat Geister schwebten,
Fühlst du das Weben der Geschichte.
		
Wenn du geblendet dann aus diesen Räumen
Ins Helle schrittst, gefestigt und geläutert, 
Gewachsen,
Bewußter nun der Kraft in deinen Adern, -
Sank alles Eintaghafte hinter dich,
Als wärst du durch Jahrhunderte gegangen.

Die Nassauische Galerie, heute Standort des 3D-Stadtmodells, um 1910

Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer

1)
Leserbrief „Ein siegerländisches Museum“, in: Siegener Zeitung vom 5.10.1892.
2)
Brief von Fischbach an Fabricius von 1894, zit. nach: Hans Kruse: Das Museum des Siegerlandes, in: Siegerland. Blätter des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten, Bd 4, Heft 1, Siegen 1919, S. 22.
3)
Vgl. Ursula Blanchebarbe: Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in Siegen, Siegen 2005, S. 53.
4)
„Ich kenne nur die großen Rembrandtschinken“, in: Siegener Zeitung vom 06.08.1968.
5)
Vgl. „Wertvolle Neuerwerbungen des Museums“, in: Siegener Zeitung vom 22.03.1939.
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