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orte:siegerlandmuseum [2016/08/17 14:06]
matthias.opitz [Erinnerungskulturelle Debatten]
orte:siegerlandmuseum [2017/04/17 23:13]
redaktion [Sachgeschichte]
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-====== ​Das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss ======+====== Siegerlandmuseum im Oberen Schloss ======
  
-===== Sachgeschichte =====+{{:​orte:​zum_museum.jpg?​200|}}
  
-Dass das Siegerlandmuseum im [[orte:​oberes_schloss|Oberen Schloss]] ​untergebracht ​wurde, wird kein Zufall gewesen seinSchließlich ist das Obere Schloss eine „historische ​Stätte“ unter denen Originalorte wie Kirchen, Klöster, Schlösser oder Burgen zu verstehen sinddenen einen historischen,​ authentischen Wert zugesprochen wirdAls zeitweilige Residenz ​der Nassauer hat das Obere Schloss wahrscheinlich einen geschichtlichen Stellenwert für die Siegener Bevölkerung.+Das Siegerlandmuseum im [[orte:​oberes_schloss|Oberen Schloss]] ​ist ein Regionalmuseum mit kunst- und kulturgeschichtlichem Schwerpunkt. Es wurde im Jahr 1905 eröffnet und seitdem beständig erweitertAuf etwa 1500 m² Ausstellungsfläche wird die Geschichte des Siegerlands als historische ​Region dargestellt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der dynastischen Geschichte der Fürstenhäuser Nassau-Oranien und Nassau-Siegender wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung der Region sowie der städtischen Wohnkultur. Auch berühmte und bedeutende Siegerländer Persönlichkeiten werden berücksichtigtGroßen Bekanntheitsgrad genießen ​der Rubenssaal mit der Sammlung von Gemälden des weltberühmten flämischen Barockmalers [[menschen:​peter_paul_rubens_1577-1640|Peter Paul Rubens (1577-1640)]] sowie das unterirdische Schaubergwerk.
  
-1892 wurde ein Leserbrief an die Siegener Zeitung veröffentlicht,​ in dem ein Aufruf für ein Siegerländer Museum gestartet wurde. Der Autor des Leserbriefes,​ der von Kruse als Siegerländer Bürger Fabricius identifiziert wurde, schrieb, dass in der Zeit das „Bestreben (vorgeherrscht habe), die Zeugnisse des Lebens und Treibens unserer Vorfahren zu sammeln, zu sichten, nutzbringend zugänglich zu machen.“ Fabricius plädierte für ein „ethnographisch-kulturhistorisches Museum des Siegerlandes“,​ um die Eigenarten der Siegerländer und ihre Kultur darzustellen , deren Schwinden er bedauerlich fand. Durch die Errichtung eines Heimatmuseums wollte er „das Festhalten an alter Siegerländer Art und Sitte (…) befördern“. Nachdem der Aufruf nicht den nötigen Erfolg gebracht hatte, schrieb der gebürtige Siegerländer Fischbach, der als Archäologe in Graz lebte, 1894 an seinen Freund Fabricius, der sich weiterhin für ein Museum des Siegerlandes stark machte. Fischbach schlug vor, das Museum „am besten wohl im historisch so interessanten „alten Schloss“ unterzubringen. Eskuche, errichtete ein Museum in der Bergschule, in der er Oberlehrer war. Er verwirklichte Vieles von dem, was sich Fabricius und Fischbach vorstellten. Um eine größere Ausstellungsfläche zu erhalten und das Museum der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde das Siegerlandmuseum eröffnet. Der von Eskuche entworfene Museumskatalog bildete den Grundstock des Siegerlandmuseums,​ dessen Gründer und erster Museumsleiter Hans Kruse war.+===== Sachgeschichte =====
  
-Das 1905 ins Leben gerufene „Siegener ​Landesmuseum“ umfasste ​zur Gründungszeit nur drei Räumedie mit Kostbarkeiten der Siegener ​Bevölkerung bestückt wurden.Durch den Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein (seit 1911) und den Verein der Freunde und Förderer des Siegerlandmuseums e.V(seit 1937unterstützt, ​wurde das Museum immer mehr ausgebautMit den Jahrzehnten hat es sichabgesehen von der starken Zerstörung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg, immer mehr zu dem in Abteilungen gegliedertenstrukturierten ​Museum ​mit wertvollen, international wichtigen Exponaten entwickelt, das es heute darstellt.+Die Idee, in Siegen ein Museum einzurichten,​ geht bis in das 19. Jahrhundert zurück. 1892 veröffentlichte die Siegener ​Zeitung einen Leserbrief, in dem zur Gründung eines „siegerländischen Museums“((Leserbrief „Ein siegerländisches Museum“in: Siegener ​Zeitung vom 5.10.1892.)) aufgerufen ​wurde. ​Der Autor, der in Marburg lebende Oberbibliothekar Professor Dr. Fabriciusplädierte für ein „ethnographisch-kulturhistorisches ​Museum ​des Siegerlandes“welches die Eigenarten der Siegerländer und ihre Kultur darstellen und „das Festhalten an alter Siegerländer Art und Sitte (…) befördern“ sollte.
  
-===== Erinnerungskulturelle Debatten =====+Der in Graz lebende Archäologe Dr. Otto Fischbach schlug daraufhin vor, das Museum „am besten wohl im historisch so interessanten alten Schloss“((Brief von Fischbach an Fabricius von 1894, zit. nach: Hans Kruse: Das Museum des Siegerlandes,​ in: Siegerland. Blätter des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten,​ Bd 4, Heft 1, Siegen 1919, S. 22.)) unterzubringen. Obwohl die Öffentlichkeit sich diesen Plänen gegenüber aufgeschlossen zeigte – schon der königlich-preußische Minister für Handel und Gewerbe Heinrich von Achenbach hatte sich für ein Museum in Siegen ausgesprochen – sollte es einige Jahre dauern, bis die Idee in die Realität umgesetzt werden konnte. Eine wichtige Vorgängerinstitution des Museums im Oberen Schloss war das Schulmuseum des Siegener Realgymnasiums,​ welches der Oberlehrer Dr. Gustav Eskuche gegründet hatte. Die von ihm ins Leben gerufene Sammlung bildete den Grundstock des späteren Siegerlandmuseums. Am 14. September 1903 beschloss die Stadtverwaltung die Einrichtung eines „Siegener Landesmuseums“. Die Initiatoren (Fabricius, Fischbach und der Siegener Baurat Johannes Scheppig) hatten einen Musentempel im Sinn, in dem die Geschichte des Siegerlandes ausgestellt werden sollte. Das im März 1905 eröffnete Museum umfasste zunächst jedoch nur drei Räume des Oberen Schlosses.
  
-Setzen sich die Besucher ​und Besucherinnen mit den Ausstellungen ​im Siegerlandmuseum auseinanderkönnen sie am kulturellen Gedächtnis partizipierenFolglich können Exponate oder ganze Ausstellungen ​zu Erinnerungsorten werden.+1910 trat der Oberlehrer Dr. Hans Kruse in die Museumsverwaltung ein und bemühte sich fortan, unterstützt vom 1911 gegründeten Verein für Heimatkunde und Heimatschutz,​ energisch um den Ausbau des Museums. So richtete er etwa 1914 ein Rubenszimmer mit einer Sammlung von Kopien und Fotos ein. Finanziellen und personellen Schwierigkeiten sowie stark schwankenden Besucherzahlen zum Trotz wuchs die Sammlung des Museums bis zur 700-Jahr-Feier der Stadt Siegen ​im Jahr 1924 auf etwa 1000 Exponate an.((Vgl. Ursula Blanchebarbe:​ Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in SiegenSiegen 2005, S53.)) 1927 sorgte eine von Kruse inszenierte [[menschen:​peter_paul_rubens_1577-1640|Rubens]]-Ausstellung für Besucherrekorde und wenig später stiftete die aus Siegen stammende Unternehmergattin Marie Flick dem Museum das erste Originalgemälde des Malers. 1929 wurde Kruse hauptamtlicher Museumsleiter und bekleidete diesen Posten bis zu seinem Tod im Jahr 1941
  
-Zu den Schwerpunkten ​der Dauerausstellungen im Siegerlandmuseum gehören die Wirtschaftsausstellung mit einer bedeutenden Mineraliensammlung,​ einer Gebläsemaschine,​ einem Wind-Ofen ​aus der La-Tène-Zeit und einem Schaubergwerk, ​die Kunstausstellung mit der Ahnengalerie der Nassau-Oranier ​und Nassau-Siegenerneun originale Rubensgemälde,​ dazu weitere Gemälde von Künstlern aus Rubens unmittelbaren Umfeld sowie die Ausstellung über die Wohnkultur ​des 19. Jahrhunderts.+In den 1930er Jahren schritten Ausbau und Erweiterung des Museums erheblich voran. Ein an der Engsbach ausgegrabener Rennofen ​aus der La-Tène-Zeit und die aus hessischem Schlossbesitz erworbene Oraniersammlung ergänzten die Kollektion. Die Ausstellung „Der deutsche Berg- und Hüttenmann“, die anlässlich ​des Westfalentags 1938 gezeigt wurde, war Anlass zur Errichtung des Schaubergwerkes,​ das unter dem Schlosshof entstand und noch heute besichtigt werden kann.
  
-Zudem gibt es einen kleinen Raumder „Folterkammer“ genannt wirdmit schmiedeeisernen,​ im Siegerland hergestellten Speeren, einer kleinen Kanone und einer Rüstung. Die stadtgeschichtlichen Zeugnisse nehmen einen weiteren Bereich des Siegerlandmuseums ​ein.+Während des Zweiten Weltkriegs blieb das Museum zunächst geöffnet. Nach dem [[ereignisse:​luftangriff_vom_16._dezember_1944|Luftangriff vom 16. Dezember 1944]]bei dem auch das Obere Schloss schwer getroffen wurdewar ein weiterer Museumsbetrieb jedoch unmöglich geworden. Zahlreiche Exponate waren zerstört oder mussten ausgelagert werden
  
-Außerdem sind in dem ganzen Museum Ofenplatten aus der Siegener Eisenschmiede ausgestellt sowie weitere Einzelstücke wie die Skulptur einer „Schönen Madonna“ oder die Schiffsglocke der „Westfalen“,​ die im ersten Weltkrieg sechs britische Zerstörer bekämpfte und die vorerst in der Nähe der Alten Kapelle, nun aber in dem Aussichtsturm der Welschen Haube, ausgestellt wird.+{{:​orte:​auslagerung.jpg?200|}} //​Auslagerung verschiedener Museumsgegenstände 1953-1954//
  
-Bestimmte Persönlichkeiten sind seit der Eröffnung des Siegerlandmuseums immer wieder hervorgehoben wordenZu diesen gehören der flämische Maler Peter Paul Rubens, Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien ​und Fürst Johann Moritz von Siegen-Nassau. Das Schaubergwerk, die Mineraliensammlung ​und die Wohnkultur mit dem Biedermeierzimmer gehören ebenso zu den Ausstellungsteilen,​ die stets erwähnt worden sind. Sie alle werden als Inhalt für den potentiellen Erinnerungsort „Siegerlandmuseum“ untersucht.+Der Wiederaufbau nach Kriegsende gestaltete sich schwierigEs mangelte an Geld und Personalzudem musste das Museum Räumlichkeiten an die Webwerkstatt der Mädchenberufsschule sowie die Städtische Bibliothek ​und das Stadtarchiv abtreten.
  
-==== Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien ====+In den 1960er und 70er Jahren gab es zaghafte Versuche, das Siegerlandmuseum volkstümlicher zu gestaltenErst der 1980 als Museumsdirektor angetretene Dr. Jürgen Schawacht nahm jedoch tiefgreifende konzeptionelle Änderungen in Angriff. Er legte großen Wert auf die wirtschaftsgeschichtliche Abteilung des Museums und wollte insbesondere die Geschichte des Berg- und Hüttenwesens im Siegerland darstellen. 1998 übernahm Prof. Dr. Ursula Blanchebarbe die Museumsleitung und konnte noch im selben Jahr 1000 Grafiken der Rubens-Werkstatt in Antwerpen zum Preis von 100.000 Mark für das Museum erwerben. Die Grafiken wurden seitdem bei zahlreichen Ausstellungen im Inund Ausland gezeigt. ​
  
-Im Jahre 1933 fand die gut besuchte „Nassau-Oranien-Gedenkausstellung“ statt, verbunden mit einer GedenkfeierEs kann davon ausgegangen werdendass das Museum auch international für die Gedenkausstellung geworben hat. Schließlich ​wurden ​die Besucherzahlen ​der niederländischen Gäste bei der Rubensgedächtnisausstellung übertroffen. +Im Jahr 2004 standen aufwändige Sanierungsund Modernisierungsmaßnahmen anKlimatechnikBrandschutz und Sicherheitssysteme ​wurden ​auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Zwischen 2012 und 2014 musste ​der Grafentrakt aufgrund von gravierenden Mängeln fast komplett entkernt und rekonstruiert werdenDie Veränderungen seit der Jahrtausendwende waren jedoch nicht nur baulicher NaturIn den vergangenen Jahren wurden alle Sammlungsbereiche des Museums neu aufgestellt ​und die neue Abteilung Wohnkultur mit Möbeln ​aus dem 19. Jahrhundert,​ vor allem aus der Zeit des Biedermeier (etwa 1815-1848), eingerichtet. Im April 2017 folgte die Eröffnung der neu konzipierten stadtgeschichtlichen Abteilung. Künftige Herausforderungen liegen vor allem in der Erschließung und musealen Aufbereitung der Siegerländer Urund Frühgeschichte. ​
-In der Begleitbroschüre zur Gedenkausstellung schrieb Museumsleiter Hans Kruse dem Oranier Graf Wilhelm Ieine Art „Vorbildfunktion“ für die Siegerländer ​und Niederländer Bevölkerung zu. Dies wird aus folgendem Zitat aus dem Vorwort ​des Museumsführers zur Nassau-Oranien-Gedenkausstellung ersichtlich:​+
  
-„Die Ausstellung verfolgt den Zweck, den Bewohnern des Siegerlandes und der alten nassau-oranischen Nachbarlande die große Zeit ihrer Geschichte nahe zu bringen und ihnen aus der Vergangenheit heraus künstlerische und kulturelle Anregungen für die Gegenwart zu geben.“+===== Erinnerungskulturelle Debatten =====
  
-Zu diesem Zeitpunkt besaß das Siegerlandmuseum ​noch gar nicht die „Ahnengalerie“,​ die es heute besitzt. Erst im Jahr 1939 erwarb das Museum ​eine Oraniersammlung aus hessischem Schlossbesitz,​ sodass eine kleine „Ahnengalerie“ entstehen konnte, wie es zum Beispiel ​in dem Artikel „Wertvolle Neuerwerbungen des Museums“ aus der Siegener Zeitung ersichtlich wirdDass die Bilder kurz vor Kriegsbeginn erworben wurden, könnte damit zusammenhängen,​ dass stets daran erinnert werden sollte, wie militärisch erfolgreich die „Väter der Stadt“ waren+Das Siegerlandmuseum ​genießt ​nicht zuletzt aufgrund seines Standortes ​im [[orte:​oberes_schloss|Oberen Schloss]] ​eine große Bekanntheit. Es wird in diversen Tourismusportalen als Ausflugsziel angepriesen und dementsprechend oft von Individualtouristen sowie von Reisegruppen besuchtDarüber hinaus dient es als außerschulischer Lernort und ist durch museumspädagogische Angebote auf Besuche von Schulklassen vorbereitet
  
-Im Jahr 1968 fand eine weitere Gedenkausstellung statt, ​und zwar zur 400. Wiederkehr der Versammlung eines Heeres auf der Ginsburger Heide bei Hilchenbach,​ das in die Niederlande zog um gegen die Truppen des spanischen Feldherrn Herzog Alba, der diese besetzte, zu kämpfenEs ist möglichdass die Gedenkausstellung einen politischen Hintergrund hatte und an das „Band“ zwischen den Niederlanden und Deutschland erinnert werden sollte, ​das Wilhelm ​der Schweiger durch seinen Einsatz in den Niederlanden gestärkt hatte. +Wie auch die historische Schlossanlage selbst ist das Siegerlandmuseum ein vielschichtiger Erinnerungsort. Viele Menschen assoziieren mit dem Museumsbesuch wahrscheinlich vor allem persönliche Eindrücke ​und Erlebnisse ​bei einem Tagesausflug oder einem anschließenden Spaziergang im SchlossparkPersonen hingegen, die das Museum mit der Absicht besucht habensich über die Geschichte des Siegerlandes zu informierenwertschätzen es vermutlich eher als Einrichtung zur Bewahrung und Präsentation ​der Vergangenheit
- Auch zum 400. Todestag des Schweigers im Jahre 1984 stellte das Siegerlandmuseum ​ Grafiken aus, die den niederländischen Befreiungskampf thematisiertenden der Oranier angeführt hatte.+
  
-Durch die Teilnahme an den Gedenkausstellungen konnten sich die Siegenerinnen und Siegener mit ihren „Ahnen“ befassen und diese als Vorbilder für die damalige Gegenwart und Zukunft sehen. Gedenkfeiern als „Denkmäler in der Zeit“, wie Aleida Assmann sie nennt, bestätigen Individuen ihre Zugehörigkeit ​zu einer gemeinsamen kulturellen Identität ​und bringen ​die Inhalte ​der Gedenkfeier der Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein. Sie ermöglichen eine Reaktivierung und Erneuerung der Erinnerungen für Erinnerungsgemeinschaften. Durch die Gedenkausstellungen konnte der Inhalt „Wilhelm der Schweiger als Befreier der Niederlanden“ reaktiviert und ins Funktionsgedächtnis der Siegener Bevölkerung gerufen werdenvorausgesetzt, ​ dass die Siegenerinnen und Siegener ​an der Gedenkfeier partizipieren und sich mit den Inhalten auseinandersetztenDa die Gedenkausstellung ​gut besucht wurde, stellt das Siegerlandmuseum als Ort der Dauer- und Sonderausstellungen zumindest einen potentiellen Erinnerungsort für die Siegener und vielleicht ​auch für die Niederländer dar.  +Nicht nur das Museum ​als Ganzessondern auch einzelne Exponate oder komplette Abteilungen ​wie auch Teile der Ausstellungen können ​zu [[ideen-traditionen:​erinnerungsort|Erinnerungsorten]] werden. Bei einer studentischen Befragung von Bürgerinnen ​und Bürgern im Jahr 2016 gab die Mehrzahl ​der befragten Personen ansich an das Siegerlandmuseum vor allem im Zusammenhang ​mit dem Schaubergwerk unter dem Schlosshof zu erinnernDies hängt vermutlich mit seinem Erlebnischarakter zusammen. Obwohl es sich bei dem gut 100 m langen Stollen nicht um einen authentischen historischen ​Ort handelt, ist der Besuch eine eindrucksvolle Erfahrung. Das hängt sicher ​auch damit zusammendass der Erzbergbau ​im Siegerland ​eine lange Tradition ​und einen großen ​ideellen ​Stellenwert für die Siegerländerinnen ​und Siegerländer besitzt
-Der „Heldenstatus“, der Wilhelm von Nassau-Oranien zugesprochen wurde, wird noch aktuell in den Grafiken zu dem Befreiungskampf,​ die im Siegerlandmuseum ausgestellt werden, deutlich. Da Wilhelm der Schweiger in Siegen residierte, das erste Heer im Siegerland ​stellte ​und die Niederlande durch ihn befreit wurde, besteht eine Art Verbindung zwischen den beiden Ländern. Wilhelm der Schweiger hat noch heute einen großen Stellenwert für die Niederlande ​und wird sogar in deren Nationalhymne als „Vater des Vaterlandes“ erwähnt. Schließlich führte er den Befreiungskampf der Niederländer gegen die Spanier an. Es ist daher von vornherein zu überlegen, ob von dem Siegerlandmuseum als einen potentiellen Siegener Erinnerungsort für Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien gesprochen werden sollte oder von einem „binationalen Erinnerungsort“ Für diejenigen, die an dem kulturellen Gedächtnis partizipieren,​ könnte die Gedenkausstellung im Oraniersaal ein Erinnerungsort an den Schweiger und seinen Erfolgen in den Niederlanden sein.+
  
-Die Besucherinnen ​und Besucher ​des Siegerlandmuseums können sich die Ausstellung mittels Broschüren selbst erschließen oder an einer Führung teilnehmen, die besonders ​in der Sommersaison regelmäßig angeboten werden+Gleich nach dem Schaubergwerk gehört [[menschen:​peter_paul_rubens_1577-1640|Peter Paul Rubens (1577-1640)]] zu den Erinnerungsorten,​ die am häufigsten mit dem Siegerlandmuseum assoziiert werden. ​Die Bedeutung des berühmten Malers für das Museum ist schon daran zu erkennen, dass sein Selbstportrait die Eintrittskarten ziert. Seit der Gründung des Museums wurde Rubens‘ Verbindung zu Siegen immer wieder durch Sonderausstellungen ​und Werbemaßnahmen betont. ​ Gleichzeitig wuchs die Sammlung von Exponaten in der Dauerausstellung. Inzwischen verfügt das Siegerlandmuseum über neun Originalbilder und etwa 1000 Grafiken ​des berühmten Malers. Diese prestigeträchtige Kollektion prägt natürlich ​die Außenwahrnehmung des Museums. Man kann dennoch nicht davon ausgehendass die Verbindung zwischen Rubens und dem Siegerlandmuseum allen Bürgerinnen und Bürgern bekannt ist. Der Aussage „Ich kenne nur die großen Rembrandtschinken“((„Ich kenne nur die großen Rembrandtschinken“, ​in: Siegener Zeitung vom 06.08.1968.)) aus einer 1968 von der Siegener Zeitung durchgeführten Umfrage über das Siegerlandmuseum würden auch heute sicher noch manche zustimmen.
  
-Siegener Schulklassen, die einen Großteil der Besucher ​und Besucherinnen ausmachen, haben freien Eintritt ins Museum. Für Kinder gibt es ein museumspädagogisches Programm ​zu den Kindern ​von Wilhelm ​den SchweigerSo wird versuchtdass sich die Kinder in das Leben eines adligen Kindes ​hineindenken“ und sich auch ein Stück weit mit sich selbst auseinandersetzenDurch diese ästhetische Vermittlung ​von Geschichte innerhalb von Gruppen können die Kinder am kulturellen Gedächtnis partizipierenEbenso kann ein soziales Gedächtnis entstehen, solange sich die Erinnerungsgemeinschaft über die Erlebnisse austauscht.+Da das Obere Schloss eine Nebenresidenz der Großfamilie der Nassauer warzählen auch die Fürstenhäuser Nassau-Oranien ​und Nassau-Siegen ​zu den Erinnerungsorten,​ die eng mit dem Siegerlandmuseum verbunden sind. Die Erinnerungen an die Nassau-Oranier bündeln sich besonders im Oraniersaal,​ wo Portraits ​von Fürst ​Wilhelm ​I(1533-1584)genannt der Schweiger, und seiner Familie zu sehen sind.((Vgl. ​Wertvolle Neuerwerbungen des Museums, in: Siegener Zeitung vom 22.03.1939.)) Wilhelm I. ist heute vor allem als Symbolfigur für den Freiheitskampf der Niederlande gegen die spanische Krone bekannt ​und dürfte daher auch für Besucherinnen und Besucher aus den Niederlanden eine wichtige Rolle spielenDem Haus Nassau-Siegen und insbesondere Johann Moritz ​von Nassau-Siegen (1604-1679) ist ebenfalls eine Abteilung der Dauerausstellung des Museums gewidmetFürst Johann Moritz dürfte für die Siegener Bürgerinnen und Bürger schon allein dadurch eine wichtige Rolle spielen, dass er der Stadt Siegen 1658 das [[ideen-traditionen:​kroenchen|Krönchen]] auf der [[orte:​nikolaikirche|Nikolaikirche]] stiftete
  
-Zudem gibt es für Kindergruppen die Möglichkeit,​ an einer Museumsrallye teilzunehmen. Dafür bietet das Museum „Arbeitsblätter für den Besuch im Museum“ an, in denen zuerst die Familie um Wilhelm den Schweiger vorgestellt und der Befreiungskampf der Niederlande erarbeitet werden kann. Es fällt auf, dass ein durchweg positives Bild von den reformierten,​historischen Figuren vermittelt wird. Während den Niederländern eine Opferrolle sowie den katholischen Spaniern eine Täterrolle zugeschrieben wurde, stellte man Graf Wilhelm I.  als einen Helden dar. +===== Quellen =====
  
-Leskien betont, dass sich Erinnerungen in unterschiedlichen Kontexten und Gruppen manifestieren. Den Quellen zufolge gibt es bis heute genug Anknüpfungspunkte,​ um Wilhelm den Schweiger mit dem Siegerlandmuseum in Verbindung zu bringen. Besonders im Oraniersaal bündeln sich die Erinnerungen. +**Der Heimatdichter Adolf Wurmbach (1891-1968) über das Siegerlandmuseum** 
-Zusammengefasst stellt ​das Siegerlandmuseum ​für alle Generationen einen potentiellen Siegener Erinnerungsort für Graf Wilhelm den I. und seinen Freiheitskampf in den Niederlanden dar, wobei sich die Erinnerungen im Oraniersaal bündeln. ​+
  
-==== Fürst Johann Moritz von Siegen-Nassau ==== +(abgedruckt ​in: SiegerlandBlätter des Vereins für Heimatkunde ​und Heimatschutz ​im Siegerlande samt Nachbargebieten Bd17 (1935), S92.) 
- + Nach einem Gang durch ein Heimatmuseum ​ 
-Seit Mitte der 1950er Jahre hat Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen die Aufmerksamkeit eines brasilianischen Gesandten im Siegerlandmuseum bekommen. Schon allein dadurch, dass er der Stadt Siegen das Krönchen stiftete, ist Fürst Johann Moritz eine interessante Persönlichkeit,​ die dem Siegerlandmuseum durch seine Gouverneursstelle ​in Brasilien einen interkontinentalen Zugriff auf Geschichte ermöglichtDurch eine großflächige Ausstellungsfläche zu Johann Moritz, eine Museumsbroschüre über ihn, sowie regelmäßige Führungen, die sich ausschließlich auf ihn beziehen, ist der Fokus auf Johann Moritz seit den Fünfziger Jahren verstärkt worden. + (Museum des Siegerlandes) 
- +  
-Sowohl 1979 als auch im Jahre 2005 fanden Gedenkausstellung zu Johann Moritz statt, die viele Besucherinnen ​und Besucher anlockten. Die Feier zum 300. Todestag des Fürsten Johann ​im Jahr 1979 beinhaltete eine Ansprache des Siegener Oberbürgermeisters Friedemann-Keßler vor Gästen aus dem Inland und AuslandNiederländische Ehrengäste und sogar der Präsident der niederländischen Geschichtsvereinigung nahmen an dieser Feier stattDie Erinnerung an Fürst Johann Moritz scheint das Band zwischen Deutschland und den Niederlanden zu festigen.  + Wer andachtsvoll durch diese Räume schritt
-Es fand eine Kranzniederlegung vor einem Portrait, das Johann Moritz zeigte, statt. Die Kranzniederlegung vor dem Portrait in Verbindung mit der Ansprache stellt einen Ritus dar, der sich im kollektiven Gedächtnis der teilnehmenden Erinnerungsgemeinde verankert haben mag. Politisch-motivierte Gedenkfeiern inszenieren Erinnerungen und beeinflussen somit das Geschichtsbewusstsein von Individuen und deren Identität.  + Dem ist es wohl geschehn, 
- + Daß diese Räume lebten. 
-Auch wenn die Erinnerungen an die Gedenkfeier mit der Zeit verblassen, ​ ist durch die Gemäldeausstellung zu Johann Moritz weiterhin eine ästhetische Dimension der Geschichtskultur gegeben, an der Bürger aus dem In- und Ausland partizipieren können. Aber nur, weil die Besucherinnen und Besucher des Museums die Gemälde konsumieren,​ bedeutet das noch lange nicht, dass diese einen Erinnerungsort darstellen, der an Johann Moritz erinnert. Denn für einen Erinnerungsort sind Erinnerungsgemeinschaften Voraussetzung,​ die wiederum nur entstehen, wenn Johann Moritz zur Siegener Identität beiträgt. Erst durch eine Sinngebung entsteht Identität.  + Urväterzeit ward ihm Gestalt
- + Die aus sich selber leuchtet noch und wärmt 
-Aktuell gibt es eine Broschüre zum Siegerlandmuseum,​ die sich explizit auf  Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen bezieht. Wird er im Siegerlandmuseum als international erfolgreich dargestellt,​ so wird er in den Tourismusbroschüren vor allem in Zusammenhang mit dem „Krönchen“,​ das er gestiftet hat, gebracht. + In alten Hausrats edlen Formen –  
- + Und wärs in einem Steinkrug bloß, in dessen Blumenstück 
-Schon allein, dass der niederländische Präsident zu der Gedenkfeier eingeladen wurde zeigt, dass die „Erinnerungsangebote“ an Johann Moritz nicht nur an die Siegener Bevölkerung gerichtet sind, sondern auch an die ganze Niederlande. Dennoch sollte mit Vorsicht von dem Siegerlandmuseum als einen potentiellen binationalen Erinnerungsort gesprochen werden, da die Niederländer Bevölkerung vielleicht auch Erinnerungsorte in den Niederlanden für Johann Moritz hat oder aber Johann Moritz selbst ​ein Erinnerungsort ist. Für die Siegener Bevölkerung stellt Fürst Johann Moritz einen potentiellen Erinnerungsort dar, weil ihm zu Ehren Gedenkfeiern mit Kranzniederlegung stattfanden und die dazugehörigen Gedenkausstellungen gut besucht waren. ​ + Der unbekannte Meister 
- + Den Reichtum seiner Seele goß, -  
- + Sei es in einem Grubenlicht
-==== Peter Paul Rubens ==== + Der ew‘gen Lampe in dem Haus der Väter
- + Die schlecht ​und recht ein wackrer Dorfschmied schuf 
-Der flämische Maler Peter Paul Rubens bekommt in Siegen einen besonderen Stellenwert zugesprochen. Schließlich wurde die Stadt Siegen nach einem langen Streit zwischen den Städten Antwerpen, Köln und Siegen als seine Geburtsstadt erkoren.  + Sei es in einer Truheliebevoll ​und geschnitzt 
- + Die dein Behagen wecktsooft dein Blick sie streichelt
-So wurde schon im Jahre 1914 wurde ein „Rubenszimmer“ im Museum des Siegerlandes ​eingerichtet. Zu diesem Zeitpunkt besaß das Museum zwar  bereits Rubensgrafiken und Nachbildungen der Gemälde Rubens von dem Maler Teersteegen,​ aber noch keine originalen Rubensgemälde. Es gab aber nicht nur Rubensbefürworter,​ sondern ebenso kritische Stimmen. Im Siegerländer Heimatbuch von 1914 bekommt die Tatsache, dass Rubens ein Zimmer eingerichtet wurde, einen negativen Beigeschmack:​ +  
- + Die Seele all der Dinge spricht dich an,  
-„Dennoch aber glaubte mandieses schwache Band, das unsere Stadt mit dem großen Niederländer verbindet, als Anlass zu einer kleinen Huldigung für ihn nehmen zu können und widmete seinem Gedächtnis ein Zimmer..“ + Und Totes lebt! 
- + Es ist ein Stück von dir
- Dazu muss betont werden, dass das Siegerland calvinistisch-pietistisch geprägt ​ist und die traditionellenkonservativen Siegener zumindest laut Stereotype kein ausgeprägtes Interesse an Kunst besitzen.29 Zudem malte Rubens die Figuren auf den Gemälden sehr freizügigwas der traditionellen Siegerländer Bevölkerung auch aktuell noch zuwider sein könnte. +  
-Die konservativen Siegener Lehrkräfte könnten ​ innerhalb eines Museumsbesuches mit ihrer Schulklasse aktiv verhindern, dass die Schülerinnen ​und Schüler mit den freizügigen Gemälden konfrontiert werden. So können diese keinen Einblick in die ästhetische Dimension der Geschichtskultur bekommen. Die Distanz zu den Werken Rubens könnte dazu beigetragen haben, dass diejenigen, die das Museum nicht außerhalb der Schule besucht haben, nicht an einem möglichen kulturellen Gedächtnis zu Rubens partizipieren könnten. So hat beispielsweise die Bürgerbefragung von 1968 ergeben, dass ein Großteil der Siegenerinnen und Siegener das Siegerlandmuseum nur in ihrer Schulzeit besucht hat. + Und wenn du sinnen standst 
- + Dann im Oraniersaal 
-Bis heute gibt es aber ebenso Personengruppen,​ die die Bedeutung von Rubens ​in den Mittelpunkt rücken. Dazu gehören Mitglieder des Siegener Heimatvereinsdas Siegerlandmuseum sowie Personen aus dem Marketingbereich der Stadt Siegen. So wurde in der Zeitschrift „Siegerland“ für die Rubensgedächtnisausstellung geworben, einer Zeitschrift,​ die besonders an die alteingesessenen Siegerländerinnen und Siegerländer adressiert ist. Im Jahre 1927 hieß es: + Und neigtest ehrfurchtsvoll ​ 
- + Dich vor Wilhelmus‘ ragender Gestalt
-„Siegerländer! Besucht die Rubens-Ausstellung.“ + Dann wars
-Dadurchdass explizit die „Siegerländer“ angesprochen wurden, wurden diese als Kulturgemeinde wahrgenommen. Weil die Werbung aber in der Zeitschrift „Siegerland“ erschienen ist, werden nur Leser dieser Zeitschrift und damit Heimatinteressierte beeinflusst worden sein. + Dass deine Heimat weitete sich dir zur Welt –  
- + Und in dem stillen Raum
-Die Rubens-Ausstellung im Jahre 1927 hatte als Gedenkausstellung einen wichtigen Stellenwert für die Entwicklung des Siegerlandmuseums und zählte 21.000 Besucherinnen und Besucher.32 Zum 350. Geburtstag des Barockmalers wurden Originalgemälde geliehen und das erste Rubensoriginal von Familie Flick gestiftet.33 Dass die Siegener Stadtverwaltung ​ sehr viel Geld für die 32 Leihgaben zur Gedächtnisausstellung investierte macht deutlich, wie wichtig ihr die Gedenkausstellung in Siegen war. Anscheinend wurde dafür auch außerhalb Siegens Werbung gemacht, da viele Besucherinnen und Besucher von außerhalb kamen. Im Mittelpunkt der Werbung stand und steht weiterhin die Geburt Rubens in Siegen. ​ + Durch den der Heimat Geister schwebten
-Dies kann man auch aus weitere Quellen herauslesen. So lautet der Titel eines Artikels über die Gedenkausstellung zum 300. Todestag Rubens: + Fühlst du das Weben der Geschichte
-„Eröffnung der Siegener Rubensausstellung. Ehrendes Gedenken des größten Sohnes unserer Stadt zur 300. Wiederkehr seines Todestages.“ +  
-Durch den Superlativ „größten“ wird der Künstler Rubens noch über die Nassauer gestellt und dies in einer Regionin der die Bewohnerinnen und Bewohner als kunstfern gelten. Ob die indirekte Werbung Anklang bei den Bürgerinnen und Bürgern fand, ist fraglich. Einerseits ist auf Rüsen zu verweisen, der betont, dass die „Sinnbildungsleistung des Geschichtsbewusstseins immer mit der Vorstellung eines übergreifenden Zeitverlaufs erfolgt“. Damit ist gemeint, dass die Sinnbildungsleistungen durch Traditionen oder bewährte Lebensordnungen beeinflusst werden und damit auch die Erinnerungen. Wenn die Vorurteile über die Siegener Bevölkerung zutreffen, dann wird sich auch heute noch ein Großteil der Siegenerinnen und Siegener nicht für die Rubensbilder interessieren. Betrachtet man andererseits die Besucherzahlen von den Gedenkausstellungen zu Rubens, so scheint Rubens gut bei der Siegener Bevölkerung angenommen worden zu sein. 1977 wurde zum 400. Todestag des flämischen Barockmalers eine weitere Gedenkausstellung organisiert,​ für die an den Bahnstationen in ganz Deutschland geworben wurde. Auch diese Gedenkausstellung wurde sehr gut angenommen. Das Museum zählte in diesem Jahr 70.000 Besucherinnen und Besucher. Das sind 33.000 mehr als 1976.40 Berücksichtigt man aber einen Artikel aus der Siegener Zeitung, so besuchten eher  Touristen das Museum als Einheimische. + Wenn du geblendet dann aus diesen Räumen 
- + Ins Helle schrittstgefestigt ​und geläutert,  
-Der Rubenspreis,​ der 1955 ins Leben gerufen wurde und auch heute noch alle fünf Jahre verliehen wird, sollte das Siegerlandmuseum „aktivieren“ und Siegen mit dem Siegerlandmuseum zu einem „Kulturmittelpunkt“ machen. In der Stiftungsurkunde des ersten Rubenspreises stehtdass der Rubenspreis an einen Maler oder Grafiker aus dem  abendländischen Kulturbereich verliehen werden soll. Durch den internationalen Wettbewerb soll die kulturellen Beziehungen der Länder verstärkt werden. + Gewachsen
-Durch den internationalen Rubenspreis könnten auch andere Länder, die den Preis gewonnen haben, einen Bezug zu Rubens herstellen ​und im Idealfall an dem kulturellen Gedächtnis der Siegener Bevölkerung partizipieren. Da entgegen der ursprünglichen Ideedie Gemälde der modernen Künstler im Siegerlandmuseum auszustellen,​ letztendlich beschlossen wurde, die Kunstwerke im Museum für Gegenwartskunst vorzuführen,​ werden die Besucherinnen und Besucher des Siegerlandmuseums aktuell nur noch durch eine Hinweistafel im Siegerlandmuseum an den Rubenspreis erinnert. Der Rubenspreis hat also nicht dazu beigetragen,​ dass das Obere Schloss ein potentieller Siegener Erinnerungsort für Rubens ist.  + Bewußter nun der Kraft in deinen Adern, - 
- + Sank alles Eintaghafte hinter dich
-Jedoch wird Peter Paul Rubens seit 1969 in Führungen und Sonderausstellungen des Siegerlandmuseums als internationaler Diplomat auf den Höfen Europas dargestellt. Es lässt sich vermutendass das Beispiel „Rubens als Diplomat“ einen politischen Appell im Kalten Krieg darstellte. Rubens als politisches Vorbild für ein diplomatisches Handeln hätte für die Personen dann einen Gegenwartsbezug,​ wenn sie sich sowohl mit der politischen Lage auseinandersetzten ​und von der Darstellung Rubens als Diplomaten erfuhren. Erst durch die Auslegung der Bilder kann eine kognitive Dimension der Geschichtskultur entstehen. Eine Museumsführung oder ein Vortrag ist sinnvollda eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Inhalten der Gemälde und der Bezug zu den Individuen und deren Gegenwart ansonsten nur schwer geschaffen werden kann. Durch den Konsum von Zeitungsartikeln oder Vorträgen zu Rubens als Diplomaten ​die einen Gegenwartsbezug haben, kann am kommunikativen Gedächtnis partizipiert werden. So sprach Justus Müller-Hofstede von der Universität Bonn in seinem kunstgeschichtlichen Vortrag im März 1969 über das „historisch politische Bildnis im Werk Rubens“. Für die Siegener Bevölkerung kann das Siegerlandmuseum seit Ende der Sechziger Jahre nur einen Erinnerungsort für Rubens als Diplomat darstellen, wenn sie ein kognitives Verständnis für die politischen Hintergründe entwickelt haben. Politisches Wissen ist notwendig, um sich mit den Inhalten auseinandersetzen zu können, Parallelen zur Gegenwart zu finden und am kommunikativen Gedächtnis zu partizipieren. + Als wärst du durch Jahrhunderte gegangen.
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-Bis heute ist Rubens immer mehr ein Symbol für Siegen geworden, eine Art Marketingstrategie. Vom Rubensbecher im Eiscafe bis hin zum Rubensfest46 im Schlosspark oder Poetry@Rubens im Apollo-TheaterRubens, der flämische Maler, ist überall und für alle Bevölkerungsgruppen präsent. Rubens als immatrieller Erinnerungsort für Siegen, unabhängig von dem Museum, könnte längst das Nebenprodukt der Marketingstrategien geworden sein. Das muss aber nicht heißen, dass das Obere Schloss, oder genauer, der Rubenssaal, nicht auch ein Erinnerungsort für Rubens sein kann. +
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-Das Siegerlandmuseum zählt inzwischen neun originale Rubensgemälde. Diese Tatsache sowie die Geburt Rubens wird in vielen Broschüren ​der Stadt Siegen erwähnt. Dass Rubens im Fokus steht, wird auch durch sein Selbstportrait auf der aktuellen Eintrittskarte ersichtlich. Eine Museumsbroschüre zu Rubens gibt es interessanterweise aktuell aber nicht. Nur wer an einer Museumsführung teilnimmtkann im Rahmen des Museums mehr über ihn und seine Gemälde erfahren. ​ +
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-Zusammengefasst kann aufgrund der gut besuchten Gedenkausstellungen und der starken Werbung für die Rubensbilder angenommen werden, dass das Siegerlandmuseum ​ein möglicher Erinnerungsort für Rubens ist und dass Rubens selbst einen potentiellen,​ abstrakten Erinnerungsort darstellt, der nicht im Oberen Schloss zu lokalisieren ist. Auf das Siegerlandmuseum als potentiellen Erinnerungsort für Rubens bezogen, muss das Museum besucht werden um am kulturellen Gedächtnis zu partizipieren. Um weiterhin an Rubens nicht nur als Maler, sondern auch als Diplomat zu erinnern, was seit den Sechzigern möglich ist und potentiell alle Generationen beeinflusst haben mag, müssen die Siegener Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Gedächtnis zu Rubens als Diplomat teilnehmen. Die Siegener Bürgerin oder der Siegener Bürger müsste sowohl an den ästhetischen als auch an den politisch-kognitiven Sinnbildungsangeboten partizipieren. Während das Siegerlandmuseum als Erinnerungsort für Rubens als Maler stets aktuell sein kann, wird sich der Inhalt „Rubens als Diplomat“ je nach gegenwärtigem politischen Interesse relativ schnell wieder in das Speichergedächtnis „zurückziehen“,​ bis es wieder an Aktualität gewinnt.  +
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-==== Das Schaubergwerk ==== +
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-Das Schaubergwerk,​ ein künstlich angelegtes Bergwerk, wurde den Museumsbesucher und Museumsbesucherinnen ​im Jahre 1938 und damit mit der großen Ausstellung „der Deutsche Berg- und Hüttenmann“ zum Westfalentag zugänglich gemacht.47 Die Ausstellung thematisierte das Arbeiten „unter Tage“ sowie die Verhüttungsprozesse und ihre Geschichte. Der Eisenerzabbau im Siegerland hatte eine lange Tradition und deshalb einen großen Stellenwert für die Siegerländerinnen und Siegerländer. Schon in der La- Tenè- Zeit vor über 2500 Jahren wurde im Siegerland Erz abgebaut. Dies beweisen Lehmöfen, die zur Eisenverwertung benutzt wurden.48 Ein über 2500 Jahre alter Lehmofen ist auch heute noch im Siegerlandmuseum ausgestellt. ​ +
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-In dem Vorwort der Begleitbroschüre zur Ausstellung von 1938 betonte Kruse, dass es das Ziel der Ausstellung gewesen sei, die ehemalige Stärke des Standesbewusstseins der Berufe des Berg- und Hüttenmanns zu demonstrieren und solch ein Standesbewusstsein wieder zu entfachen.49 Aber auch der bevorstehende Krieg konnte ein Grund für die Fokussierung auf die Berg-und Hüttenarbeiter gewesen sein.50 Schließlich wurde Eisenerz benötigt, um Waffen und Kanonen herzustellen.  +
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-In einem Touristenführer aus dem Jahr 1985 wird das Schaubergwerk als etwas bezeichnet, das „die Erinnerungen (…) wach hält“51. Es kann deshalb angenommen werden, dass das Schaubergwerk zumindest ​vor 30 Jahren auch für den Teil der Siegener Bevölkerung einen Erinnerungsort darstellteder direkt oder indirekt an dem Bergwerksleben partizipierte. Aber nicht nur für die Siegener Bevölkerung,​ sondern ebenso ​ für Menschen aus anderen Regionen, die das Schaubergwerk besuchten, könnte es ein Erinnerungsort geworden sein, sofern es zu ihrer eigenen Identität beigetragen hat und weiterhin trägt. +
-Aktuell wird nicht nur in der Broschüre des Siegerlandmuseums für das Schaubergwerk geworbenin dem es als „besonders eindrucksvoll“52 bezeichnet wird, sondern ebenso ​ in der Zeitung53 sowie auf der Internetseite der Stadt Siegen.54 Außerdem wird das Schaubergwerk im Kurzfilm Eisenstraße Südwestfalen von 201355 thematisiert. +
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-Das Schaubergwerk ist zwar kein authentischer Ort, da es sich um keinen „Originalort“56 handelt, wie Kröll es nennt, sondern nur um eine Attrappe, aber ein Besuch hat dennoch einen gewissen Erlebnisgehalt,​ da man das Schaubergwerk mit allen Sinnen erfahren kann. Ein Besucherbergwerk,​ ganz gleich ob Attrappe oder nicht, sollte stets in Zusammenhang mit dem historischen Kontext gebracht werdendamit sich die Besucherinnen und Besucher die harte, gefährliche und dreckige Arbeit der Bergarbeiter bewusster machen kann. +
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-Regelmäßig wird für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren das museumspädagogische Programm „Glück-Auf“57 angeboten, was für den guten Zulauf des Programms spricht. Mit Helm und Lampe ausgestattetversucht das Siegerlandmuseum,​ dass sich die Kinder in das Leben eines Bergarbeiters „hineinversetzen“. Diese können Sinnbildungsprozessen unterliegen,​ die ihr Geschichtsbewusstsein beeinflussen. Natürlich kann innerhalb des museumspädagogischen Programms nicht ansatzweise nachempfunden werden, wie gefährlich und anstrengend die „Arbeit unter Tage“ gewesen ist. +
-Dennoch kann ein emotionales Gruppenerlebnis durchaus bei den Kindern dafür sorgen, dass es in deren kollektiven Gedächtnis gespeichert wird. Dementsprechend kann das Schaubergwerk einen potentiellen Erinnerungsort für die jüngere Generation darstellen, die im Rahmen eines Schulbesuches oder eines museumspädagogischen Programms ein Abenteuer erlebt und sich mit allen Sinnen mit dem damaligen Leben ihrer Verwandten oder der Personen ihrer Heimatstadt näher auseinandersetzen können+
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-Es stellt also eine Verschiebung der angesprochenen Personengruppen dar. Während in den Achtziger Jahren vor allem die Personengruppen angesprochen wurdendie auf irgendeiner Weise schon Erfahrungen mit der Bergarbeit gemacht hatten, stehen aktuell besonders die jüngere Generation im Fokus, die eventuell noch keinerlei Kenntnisse über die damalige Arbeit im Siegerland gemacht haben und es im museumspädagogischen Programm versuchen selbst nachzuempfindenwie der Alltag „unter Tage“ hätte sein können. Deshalb stellt das Schaubergwerk aktuell mit hoher Wahrscheinlichkeit einen  Siegener Erinnerungsort für die jüngere Generation dar, kann aber eventuell ebenso noch ein Erinnerungsort für die ältere Generation sein. +
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-==== Die Mineralienausstellung ==== +
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-Das Siegerlandmuseum beheimatet auch eine Mineralienausstellungdie ursprünglich in der Bergschule beheimatet war.  +
-Begleitkataloge zur Mineralienausstellung werden im  Museumsshop verschenkt, da sie niemand kaufen wollte. Das ist aber kein Phänomen ​der letzten Jahre. Schon 1982 stand in der Siegener Zeitungdass die Mineralienschau Beachtung verdiene, die sie bislang nicht bekommen habe. Das Museum selbst wirbt mit der Mineraliensammlung in ihren Broschüren. Manche Touristenund Museumsführer erwähnen die Mineraliensammlung erst gar nicht, so der Museumsführer „Museen und Heimatstuben. Siegerland-Wittgenstein“ von Dieter Pfau aus dem Jahr 2001. Andererseits macht aktuell ein Kurzfilm der „Eisenstraße Südwestfalen“60 indirekt auf die Mineraliensammlung aufmerksam, indem die Mineralien unkommentiert gezeigt werden. Das kann darauf hinweisen, dass die Mineralien nur einen ästhetischen Wert für die Bevölkerung haben könnten. Einen Stellenwert wie die Gemälde von Peter Paul Rubens, die selbst in dem Film über die Eisenstraße als Hintergrund für das Interview mit der Museumsleiterin dienen, wird ihnen aber längst nicht zugesprochen. Die Mineralien scheinen sozusagen von den Rubensgemälden „überschattet“ zu werden und stellen wahrscheinlich für den Großteil der Siegener Bevölkerung keinen Erinnerungsort dar.  +
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-==== Die Wohnkultur ==== +
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-Die Wohnkultur des 19. Jahrhunderts wird noch in der aktuellen Museumsbroschüre als eine der großen Ausstellungsbereiche erwähnt und mit Bildern zur Schau gestellt. Sie beinhaltet unter anderem Biedermeiermöbeleine Küche und eine Schlafstube. In den Medien außerhalb des Siegerlandmuseums hat dieser Ausstellungsbereich an Bedeutung verloren. In Gedichten von Adolf Wurmbach, die in Heimatzeitschriften der dreißiger Jahre erschienen, wurde versucht, die Heimatstube und ihren Wert für die Siegerländer Tradition und Sitte zu vermitteln. +
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-Aktuell wird die Siegerländer Heimatstube in manchen Museumsführern und Broschüren nicht einmal mehr erwähntDa sehr stark für die wertvollen Rubensgemälde geworben worden ist, gerät die Heimatstube immer mehr in Vergessenheit. Es ist einfacher, einen weltbekannten Künstler zu vermarkten als eine regionale Heimatstube.  +
-Deshalb gerät dieser Ausstellungsbereich immer stärker in Vergessenheit. Dennoch ist es durchaus möglich, dass die Heimatstube ein Erinnerungsort für die heimatverbundene Siegener Bevölkerung ist. So wurde 1983 in einem Zeitungsartikel der Siegener Zeitung betont, dass historisch gewordene Objekte eine „zuverlässige Anschauung von der Wohn- und Lebensform der Urgroßeltern vermitteln“. Sofern das Museum besucht wird, könnten die Besucherinnen und Besucher einen Bezug zwischen ihrer eigenen Lebensgeschichte,​ ihrer Familie und den Objekten herstellen. Da sich die Exponate zur Wohnkultur auf das 19. Jahrhundert beziehen, wird am ehesten die ältere Generation einen Bezug zu ihnen finden können. Der Ausstellungsbereich zur Wohnkultur des 19. Jahrhunderts kann also ein potentieller ​ Erinnerungsort für Tradition und Sitten der „alteingesessenen“ Siegenerinnen und Siegener sein. +
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-===== Quellen =====+
  
-===== Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer =====+----
  
 +{{:​orte:​nassauische_galerie_um_1910.jpg?​200|}}
 +//Die Nassauische Galerie, heute Standort des 3D-Stadtmodells,​ um 1910//
 +===== Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer =====
 +~~DISQUS~~
orte/siegerlandmuseum.txt · Zuletzt geändert: 2018/07/11 14:47 von redaktion