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Das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss

Sachgeschichte

Dass das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss untergebracht wurde, wird kein Zufall gewesen sein. Schließlich ist das Obere Schloss eine „historische Stätte“ unter denen Originalorte wie Kirchen, Klöster, Schlösser oder Burgen zu verstehen sind, denen einen historischen, authentischen Wert zugesprochen wird. Als zeitweilige Residenz der Nassauer hat das Obere Schloss wahrscheinlich einen geschichtlichen Stellenwert für die Siegener Bevölkerung.

1892 wurde ein Leserbrief an die Siegener Zeitung veröffentlicht, in dem ein Aufruf für ein Siegerländer Museum gestartet wurde. Der Autor des Leserbriefes, der von Kruse als Siegerländer Bürger Fabricius identifiziert wurde, schrieb, dass in der Zeit das „Bestreben (vorgeherrscht habe), die Zeugnisse des Lebens und Treibens unserer Vorfahren zu sammeln, zu sichten, nutzbringend zugänglich zu machen.“ Fabricius plädierte für ein „ethnographisch-kulturhistorisches Museum des Siegerlandes“, um die Eigenarten der Siegerländer und ihre Kultur darzustellen , deren Schwinden er bedauerlich fand. Durch die Errichtung eines Heimatmuseums wollte er „das Festhalten an alter Siegerländer Art und Sitte (…) befördern“. Nachdem der Aufruf nicht den nötigen Erfolg gebracht hatte, schrieb der gebürtige Siegerländer Fischbach, der als Archäologe in Graz lebte, 1894 an seinen Freund Fabricius, der sich weiterhin für ein Museum des Siegerlandes stark machte. Fischbach schlug vor, das Museum „am besten wohl im historisch so interessanten „alten Schloss“ unterzubringen. Eskuche, errichtete ein Museum in der Bergschule, in der er Oberlehrer war. Er verwirklichte Vieles von dem, was sich Fabricius und Fischbach vorstellten. Um eine größere Ausstellungsfläche zu erhalten und das Museum der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde das Siegerlandmuseum eröffnet. Der von Eskuche entworfene Museumskatalog bildete den Grundstock des Siegerlandmuseums, dessen Gründer und erster Museumsleiter Hans Kruse war.

Das 1905 ins Leben gerufene „Siegener Landesmuseum“ umfasste zur Gründungszeit nur drei Räume, die mit Kostbarkeiten der Siegener Bevölkerung bestückt wurden.Durch den Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein (seit 1911) und den Verein der Freunde und Förderer des Siegerlandmuseums e.V. (seit 1937) unterstützt, wurde das Museum immer mehr ausgebaut. Mit den Jahrzehnten hat es sich, abgesehen von der starken Zerstörung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg, immer mehr zu dem in Abteilungen gegliederten, strukturierten Museum mit wertvollen, international wichtigen Exponaten entwickelt, das es heute darstellt.

Erinnerungskulturelle Debatten

Setzen sich die Besucher und Besucherinnen mit den Ausstellungen im Siegerlandmuseum auseinander, können sie am kulturellen Gedächtnis partizipieren. Folglich können Exponate oder ganze Ausstellungen zu Erinnerungsorten werden.

Zu den Schwerpunkten der Dauerausstellungen im Siegerlandmuseum gehören die Wirtschaftsausstellung mit einer bedeutenden Mineraliensammlung, einer Gebläsemaschine, einem Wind-Ofen aus der La-Tène-Zeit und einem Schaubergwerk, die Kunstausstellung mit der Ahnengalerie der Nassau-Oranier und Nassau-Siegener, neun originale Rubensgemälde, dazu weitere Gemälde von Künstlern aus Rubens unmittelbaren Umfeld sowie die Ausstellung über die Wohnkultur des 19. Jahrhunderts.

Zudem gibt es einen kleinen Raum, der „Folterkammer“ genannt wird, mit schmiedeeisernen, im Siegerland hergestellten Speeren, einer kleinen Kanone und einer Rüstung. Die stadtgeschichtlichen Zeugnisse nehmen einen weiteren Bereich des Siegerlandmuseums ein.

Außerdem sind in dem ganzen Museum Ofenplatten aus der Siegener Eisenschmiede ausgestellt sowie weitere Einzelstücke wie die Skulptur einer „Schönen Madonna“ oder die Schiffsglocke der „Westfalen“, die im ersten Weltkrieg sechs britische Zerstörer bekämpfte und die vorerst in der Nähe der Alten Kapelle, nun aber in dem Aussichtsturm der Welschen Haube, ausgestellt wird.

Bestimmte Persönlichkeiten sind seit der Eröffnung des Siegerlandmuseums immer wieder hervorgehoben worden. Zu diesen gehören der flämische Maler Peter Paul Rubens, Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien und Fürst Johann Moritz von Siegen-Nassau. Das Schaubergwerk, die Mineraliensammlung und die Wohnkultur mit dem Biedermeierzimmer gehören ebenso zu den Ausstellungsteilen, die stets erwähnt worden sind. Sie alle werden als Inhalt für den potentiellen Erinnerungsort „Siegerlandmuseum“ untersucht.

Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien

Im Jahre 1933 fand die gut besuchte „Nassau-Oranien-Gedenkausstellung“ statt, verbunden mit einer Gedenkfeier. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Museum auch international für die Gedenkausstellung geworben hat. Schließlich wurden die Besucherzahlen der niederländischen Gäste bei der Rubensgedächtnisausstellung übertroffen. In der Begleitbroschüre zur Gedenkausstellung schrieb Museumsleiter Hans Kruse dem Oranier Graf Wilhelm I. eine Art „Vorbildfunktion“ für die Siegerländer und Niederländer Bevölkerung zu. Dies wird aus folgendem Zitat aus dem Vorwort des Museumsführers zur Nassau-Oranien-Gedenkausstellung ersichtlich:

„Die Ausstellung verfolgt den Zweck, den Bewohnern des Siegerlandes und der alten nassau-oranischen Nachbarlande die große Zeit ihrer Geschichte nahe zu bringen und ihnen aus der Vergangenheit heraus künstlerische und kulturelle Anregungen für die Gegenwart zu geben.“

Zu diesem Zeitpunkt besaß das Siegerlandmuseum noch gar nicht die „Ahnengalerie“, die es heute besitzt. Erst im Jahr 1939 erwarb das Museum eine Oraniersammlung aus hessischem Schlossbesitz, sodass eine kleine „Ahnengalerie“ entstehen konnte, wie es zum Beispiel in dem Artikel „Wertvolle Neuerwerbungen des Museums“ aus der Siegener Zeitung ersichtlich wird. Dass die Bilder kurz vor Kriegsbeginn erworben wurden, könnte damit zusammenhängen, dass stets daran erinnert werden sollte, wie militärisch erfolgreich die „Väter der Stadt“ waren.

Im Jahr 1968 fand eine weitere Gedenkausstellung statt, und zwar zur 400. Wiederkehr der Versammlung eines Heeres auf der Ginsburger Heide bei Hilchenbach, das in die Niederlande zog um gegen die Truppen des spanischen Feldherrn Herzog Alba, der diese besetzte, zu kämpfen. Es ist möglich, dass die Gedenkausstellung einen politischen Hintergrund hatte und an das „Band“ zwischen den Niederlanden und Deutschland erinnert werden sollte, das Wilhelm der Schweiger durch seinen Einsatz in den Niederlanden gestärkt hatte. Auch zum 400. Todestag des Schweigers im Jahre 1984 stellte das Siegerlandmuseum Grafiken aus, die den niederländischen Befreiungskampf thematisierten, den der Oranier angeführt hatte.

Durch die Teilnahme an den Gedenkausstellungen konnten sich die Siegenerinnen und Siegener mit ihren „Ahnen“ befassen und diese als Vorbilder für die damalige Gegenwart und Zukunft sehen. Gedenkfeiern als „Denkmäler in der Zeit“, wie Aleida Assmann sie nennt, bestätigen Individuen ihre Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen kulturellen Identität und bringen die Inhalte der Gedenkfeier der Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein. Sie ermöglichen eine Reaktivierung und Erneuerung der Erinnerungen für Erinnerungsgemeinschaften. Durch die Gedenkausstellungen konnte der Inhalt „Wilhelm der Schweiger als Befreier der Niederlanden“ reaktiviert und ins Funktionsgedächtnis der Siegener Bevölkerung gerufen werden, vorausgesetzt, dass die Siegenerinnen und Siegener an der Gedenkfeier partizipieren und sich mit den Inhalten auseinandersetzten. Da die Gedenkausstellung gut besucht wurde, stellt das Siegerlandmuseum als Ort der Dauer- und Sonderausstellungen zumindest einen potentiellen Erinnerungsort für die Siegener und vielleicht auch für die Niederländer dar. Der „Heldenstatus“, der Wilhelm von Nassau-Oranien zugesprochen wurde, wird noch aktuell in den Grafiken zu dem Befreiungskampf, die im Siegerlandmuseum ausgestellt werden, deutlich. Da Wilhelm der Schweiger in Siegen residierte, das erste Heer im Siegerland stellte und die Niederlande durch ihn befreit wurde, besteht eine Art Verbindung zwischen den beiden Ländern. Wilhelm der Schweiger hat noch heute einen großen Stellenwert für die Niederlande und wird sogar in deren Nationalhymne als „Vater des Vaterlandes“ erwähnt. Schließlich führte er den Befreiungskampf der Niederländer gegen die Spanier an. Es ist daher von vornherein zu überlegen, ob von dem Siegerlandmuseum als einen potentiellen Siegener Erinnerungsort für Graf Wilhelm I. von Nassau-Oranien gesprochen werden sollte oder von einem „binationalen Erinnerungsort“ Für diejenigen, die an dem kulturellen Gedächtnis partizipieren, könnte die Gedenkausstellung im Oraniersaal ein Erinnerungsort an den Schweiger und seinen Erfolgen in den Niederlanden sein.

Die Besucherinnen und Besucher des Siegerlandmuseums können sich die Ausstellung mittels Broschüren selbst erschließen oder an einer Führung teilnehmen, die besonders in der Sommersaison regelmäßig angeboten werden.

Siegener Schulklassen, die einen Großteil der Besucher und Besucherinnen ausmachen, haben freien Eintritt ins Museum. Für Kinder gibt es ein museumspädagogisches Programm zu den Kindern von Wilhelm den Schweiger. So wird versucht, dass sich die Kinder in das Leben eines adligen Kindes „hineindenken“ und sich auch ein Stück weit mit sich selbst auseinandersetzen. Durch diese ästhetische Vermittlung von Geschichte innerhalb von Gruppen können die Kinder am kulturellen Gedächtnis partizipieren. Ebenso kann ein soziales Gedächtnis entstehen, solange sich die Erinnerungsgemeinschaft über die Erlebnisse austauscht.

Zudem gibt es für Kindergruppen die Möglichkeit, an einer Museumsrallye teilzunehmen. Dafür bietet das Museum „Arbeitsblätter für den Besuch im Museum“ an, in denen zuerst die Familie um Wilhelm den Schweiger vorgestellt und der Befreiungskampf der Niederlande erarbeitet werden kann. Es fällt auf, dass ein durchweg positives Bild von den reformierten,historischen Figuren vermittelt wird. Während den Niederländern eine Opferrolle sowie den katholischen Spaniern eine Täterrolle zugeschrieben wurde, stellte man Graf Wilhelm I. als einen Helden dar.

Leskien betont, dass sich Erinnerungen in unterschiedlichen Kontexten und Gruppen manifestieren. Den Quellen zufolge gibt es bis heute genug Anknüpfungspunkte, um Wilhelm den Schweiger mit dem Siegerlandmuseum in Verbindung zu bringen. Besonders im Oraniersaal bündeln sich die Erinnerungen. Zusammengefasst stellt das Siegerlandmuseum für alle Generationen einen potentiellen Siegener Erinnerungsort für Graf Wilhelm den I. und seinen Freiheitskampf in den Niederlanden dar, wobei sich die Erinnerungen im Oraniersaal bündeln.

Fürst Johann Moritz von Siegen-Nassau

Seit Mitte der 1950er Jahre hat Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen die Aufmerksamkeit eines brasilianischen Gesandten im Siegerlandmuseum bekommen. Schon allein dadurch, dass er der Stadt Siegen das Krönchen stiftete, ist Fürst Johann Moritz eine interessante Persönlichkeit, die dem Siegerlandmuseum durch seine Gouverneursstelle in Brasilien einen interkontinentalen Zugriff auf Geschichte ermöglicht. Durch eine großflächige Ausstellungsfläche zu Johann Moritz, eine Museumsbroschüre über ihn, sowie regelmäßige Führungen, die sich ausschließlich auf ihn beziehen, ist der Fokus auf Johann Moritz seit den Fünfziger Jahren verstärkt worden.

Sowohl 1979 als auch im Jahre 2005 fanden Gedenkausstellung zu Johann Moritz statt, die viele Besucherinnen und Besucher anlockten. Die Feier zum 300. Todestag des Fürsten Johann im Jahr 1979 beinhaltete eine Ansprache des Siegener Oberbürgermeisters Friedemann-Keßler vor Gästen aus dem Inland und Ausland. Niederländische Ehrengäste und sogar der Präsident der niederländischen Geschichtsvereinigung nahmen an dieser Feier statt. Die Erinnerung an Fürst Johann Moritz scheint das Band zwischen Deutschland und den Niederlanden zu festigen. Es fand eine Kranzniederlegung vor einem Portrait, das Johann Moritz zeigte, statt. Die Kranzniederlegung vor dem Portrait in Verbindung mit der Ansprache stellt einen Ritus dar, der sich im kollektiven Gedächtnis der teilnehmenden Erinnerungsgemeinde verankert haben mag. Politisch-motivierte Gedenkfeiern inszenieren Erinnerungen und beeinflussen somit das Geschichtsbewusstsein von Individuen und deren Identität.

Auch wenn die Erinnerungen an die Gedenkfeier mit der Zeit verblassen, ist durch die Gemäldeausstellung zu Johann Moritz weiterhin eine ästhetische Dimension der Geschichtskultur gegeben, an der Bürger aus dem In- und Ausland partizipieren können. Aber nur, weil die Besucherinnen und Besucher des Museums die Gemälde konsumieren, bedeutet das noch lange nicht, dass diese einen Erinnerungsort darstellen, der an Johann Moritz erinnert. Denn für einen Erinnerungsort sind Erinnerungsgemeinschaften Voraussetzung, die wiederum nur entstehen, wenn Johann Moritz zur Siegener Identität beiträgt. Erst durch eine Sinngebung entsteht Identität.

Aktuell gibt es eine Broschüre zum Siegerlandmuseum, die sich explizit auf Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen bezieht. Wird er im Siegerlandmuseum als international erfolgreich dargestellt, so wird er in den Tourismusbroschüren vor allem in Zusammenhang mit dem „Krönchen“, das er gestiftet hat, gebracht.

Schon allein, dass der niederländische Präsident zu der Gedenkfeier eingeladen wurde zeigt, dass die „Erinnerungsangebote“ an Johann Moritz nicht nur an die Siegener Bevölkerung gerichtet sind, sondern auch an die ganze Niederlande. Dennoch sollte mit Vorsicht von dem Siegerlandmuseum als einen potentiellen binationalen Erinnerungsort gesprochen werden, da die Niederländer Bevölkerung vielleicht auch Erinnerungsorte in den Niederlanden für Johann Moritz hat oder aber Johann Moritz selbst ein Erinnerungsort ist. Für die Siegener Bevölkerung stellt Fürst Johann Moritz einen potentiellen Erinnerungsort dar, weil ihm zu Ehren Gedenkfeiern mit Kranzniederlegung stattfanden und die dazugehörigen Gedenkausstellungen gut besucht waren.

Peter Paul Rubens

Der flämische Maler Peter Paul Rubens bekommt in Siegen einen besonderen Stellenwert zugesprochen. Schließlich wurde die Stadt Siegen nach einem langen Streit zwischen den Städten Antwerpen, Köln und Siegen als seine Geburtsstadt erkoren.

So wurde schon im Jahre 1914 wurde ein „Rubenszimmer“ im Museum des Siegerlandes eingerichtet. Zu diesem Zeitpunkt besaß das Museum zwar bereits Rubensgrafiken und Nachbildungen der Gemälde Rubens von dem Maler Teersteegen, aber noch keine originalen Rubensgemälde. Es gab aber nicht nur Rubensbefürworter, sondern ebenso kritische Stimmen. Im Siegerländer Heimatbuch von 1914 bekommt die Tatsache, dass Rubens ein Zimmer eingerichtet wurde, einen negativen Beigeschmack:

„Dennoch aber glaubte man, dieses schwache Band, das unsere Stadt mit dem großen Niederländer verbindet, als Anlass zu einer kleinen Huldigung für ihn nehmen zu können und widmete seinem Gedächtnis ein Zimmer..“

Dazu muss betont werden, dass das Siegerland calvinistisch-pietistisch geprägt ist und die traditionellen, konservativen Siegener zumindest laut Stereotype kein ausgeprägtes Interesse an Kunst besitzen.29 Zudem malte Rubens die Figuren auf den Gemälden sehr freizügig, was der traditionellen Siegerländer Bevölkerung auch aktuell noch zuwider sein könnte. Die konservativen Siegener Lehrkräfte könnten innerhalb eines Museumsbesuches mit ihrer Schulklasse aktiv verhindern, dass die Schülerinnen und Schüler mit den freizügigen Gemälden konfrontiert werden. So können diese keinen Einblick in die ästhetische Dimension der Geschichtskultur bekommen. Die Distanz zu den Werken Rubens könnte dazu beigetragen haben, dass diejenigen, die das Museum nicht außerhalb der Schule besucht haben, nicht an einem möglichen kulturellen Gedächtnis zu Rubens partizipieren könnten. So hat beispielsweise die Bürgerbefragung von 1968 ergeben, dass ein Großteil der Siegenerinnen und Siegener das Siegerlandmuseum nur in ihrer Schulzeit besucht hat.

Bis heute gibt es aber ebenso Personengruppen, die die Bedeutung von Rubens in den Mittelpunkt rücken. Dazu gehören Mitglieder des Siegener Heimatvereins, das Siegerlandmuseum sowie Personen aus dem Marketingbereich der Stadt Siegen. So wurde in der Zeitschrift „Siegerland“ für die Rubensgedächtnisausstellung geworben, einer Zeitschrift, die besonders an die alteingesessenen Siegerländerinnen und Siegerländer adressiert ist. Im Jahre 1927 hieß es:

„Siegerländer! Besucht die Rubens-Ausstellung.“ Dadurch, dass explizit die „Siegerländer“ angesprochen wurden, wurden diese als Kulturgemeinde wahrgenommen. Weil die Werbung aber in der Zeitschrift „Siegerland“ erschienen ist, werden nur Leser dieser Zeitschrift und damit Heimatinteressierte beeinflusst worden sein.

Die Rubens-Ausstellung im Jahre 1927 hatte als Gedenkausstellung einen wichtigen Stellenwert für die Entwicklung des Siegerlandmuseums und zählte 21.000 Besucherinnen und Besucher.32 Zum 350. Geburtstag des Barockmalers wurden Originalgemälde geliehen und das erste Rubensoriginal von Familie Flick gestiftet.33 Dass die Siegener Stadtverwaltung sehr viel Geld für die 32 Leihgaben zur Gedächtnisausstellung investierte macht deutlich, wie wichtig ihr die Gedenkausstellung in Siegen war. Anscheinend wurde dafür auch außerhalb Siegens Werbung gemacht, da viele Besucherinnen und Besucher von außerhalb kamen. Im Mittelpunkt der Werbung stand und steht weiterhin die Geburt Rubens in Siegen. Dies kann man auch aus weitere Quellen herauslesen. So lautet der Titel eines Artikels über die Gedenkausstellung zum 300. Todestag Rubens: „Eröffnung der Siegener Rubensausstellung. Ehrendes Gedenken des größten Sohnes unserer Stadt zur 300. Wiederkehr seines Todestages.“ Durch den Superlativ „größten“ wird der Künstler Rubens noch über die Nassauer gestellt und dies in einer Region, in der die Bewohnerinnen und Bewohner als kunstfern gelten. Ob die indirekte Werbung Anklang bei den Bürgerinnen und Bürgern fand, ist fraglich. Einerseits ist auf Rüsen zu verweisen, der betont, dass die „Sinnbildungsleistung des Geschichtsbewusstseins immer mit der Vorstellung eines übergreifenden Zeitverlaufs erfolgt“. Damit ist gemeint, dass die Sinnbildungsleistungen durch Traditionen oder bewährte Lebensordnungen beeinflusst werden und damit auch die Erinnerungen. Wenn die Vorurteile über die Siegener Bevölkerung zutreffen, dann wird sich auch heute noch ein Großteil der Siegenerinnen und Siegener nicht für die Rubensbilder interessieren. Betrachtet man andererseits die Besucherzahlen von den Gedenkausstellungen zu Rubens, so scheint Rubens gut bei der Siegener Bevölkerung angenommen worden zu sein. 1977 wurde zum 400. Todestag des flämischen Barockmalers eine weitere Gedenkausstellung organisiert, für die an den Bahnstationen in ganz Deutschland geworben wurde. Auch diese Gedenkausstellung wurde sehr gut angenommen. Das Museum zählte in diesem Jahr 70.000 Besucherinnen und Besucher. Das sind 33.000 mehr als 1976.40 Berücksichtigt man aber einen Artikel aus der Siegener Zeitung, so besuchten eher Touristen das Museum als Einheimische.

Der Rubenspreis, der 1955 ins Leben gerufen wurde und auch heute noch alle fünf Jahre verliehen wird, sollte das Siegerlandmuseum „aktivieren“ und Siegen mit dem Siegerlandmuseum zu einem „Kulturmittelpunkt“ machen. In der Stiftungsurkunde des ersten Rubenspreises steht, dass der Rubenspreis an einen Maler oder Grafiker aus dem abendländischen Kulturbereich verliehen werden soll. Durch den internationalen Wettbewerb soll die kulturellen Beziehungen der Länder verstärkt werden. Durch den internationalen Rubenspreis könnten auch andere Länder, die den Preis gewonnen haben, einen Bezug zu Rubens herstellen und im Idealfall an dem kulturellen Gedächtnis der Siegener Bevölkerung partizipieren. Da entgegen der ursprünglichen Idee, die Gemälde der modernen Künstler im Siegerlandmuseum auszustellen, letztendlich beschlossen wurde, die Kunstwerke im Museum für Gegenwartskunst vorzuführen, werden die Besucherinnen und Besucher des Siegerlandmuseums aktuell nur noch durch eine Hinweistafel im Siegerlandmuseum an den Rubenspreis erinnert. Der Rubenspreis hat also nicht dazu beigetragen, dass das Obere Schloss ein potentieller Siegener Erinnerungsort für Rubens ist.

Jedoch wird Peter Paul Rubens seit 1969 in Führungen und Sonderausstellungen des Siegerlandmuseums als internationaler Diplomat auf den Höfen Europas dargestellt. Es lässt sich vermuten, dass das Beispiel „Rubens als Diplomat“ einen politischen Appell im Kalten Krieg darstellte. Rubens als politisches Vorbild für ein diplomatisches Handeln hätte für die Personen dann einen Gegenwartsbezug, wenn sie sich sowohl mit der politischen Lage auseinandersetzten und von der Darstellung Rubens als Diplomaten erfuhren. Erst durch die Auslegung der Bilder kann eine kognitive Dimension der Geschichtskultur entstehen. Eine Museumsführung oder ein Vortrag ist sinnvoll, da eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Inhalten der Gemälde und der Bezug zu den Individuen und deren Gegenwart ansonsten nur schwer geschaffen werden kann. Durch den Konsum von Zeitungsartikeln oder Vorträgen zu Rubens als Diplomaten , die einen Gegenwartsbezug haben, kann am kommunikativen Gedächtnis partizipiert werden. So sprach Justus Müller-Hofstede von der Universität Bonn in seinem kunstgeschichtlichen Vortrag im März 1969 über das „historisch politische Bildnis im Werk Rubens“. Für die Siegener Bevölkerung kann das Siegerlandmuseum seit Ende der Sechziger Jahre nur einen Erinnerungsort für Rubens als Diplomat darstellen, wenn sie ein kognitives Verständnis für die politischen Hintergründe entwickelt haben. Politisches Wissen ist notwendig, um sich mit den Inhalten auseinandersetzen zu können, Parallelen zur Gegenwart zu finden und am kommunikativen Gedächtnis zu partizipieren.

Bis heute ist Rubens immer mehr ein Symbol für Siegen geworden, eine Art Marketingstrategie. Vom Rubensbecher im Eiscafe bis hin zum Rubensfest46 im Schlosspark oder Poetry@Rubens im Apollo-Theater: Rubens, der flämische Maler, ist überall und für alle Bevölkerungsgruppen präsent. Rubens als immatrieller Erinnerungsort für Siegen, unabhängig von dem Museum, könnte längst das Nebenprodukt der Marketingstrategien geworden sein. Das muss aber nicht heißen, dass das Obere Schloss, oder genauer, der Rubenssaal, nicht auch ein Erinnerungsort für Rubens sein kann.

Das Siegerlandmuseum zählt inzwischen neun originale Rubensgemälde. Diese Tatsache sowie die Geburt Rubens wird in vielen Broschüren der Stadt Siegen erwähnt. Dass Rubens im Fokus steht, wird auch durch sein Selbstportrait auf der aktuellen Eintrittskarte ersichtlich. Eine Museumsbroschüre zu Rubens gibt es interessanterweise aktuell aber nicht. Nur wer an einer Museumsführung teilnimmt, kann im Rahmen des Museums mehr über ihn und seine Gemälde erfahren.

Zusammengefasst kann aufgrund der gut besuchten Gedenkausstellungen und der starken Werbung für die Rubensbilder angenommen werden, dass das Siegerlandmuseum ein möglicher Erinnerungsort für Rubens ist und dass Rubens selbst einen potentiellen, abstrakten Erinnerungsort darstellt, der nicht im Oberen Schloss zu lokalisieren ist. Auf das Siegerlandmuseum als potentiellen Erinnerungsort für Rubens bezogen, muss das Museum besucht werden um am kulturellen Gedächtnis zu partizipieren. Um weiterhin an Rubens nicht nur als Maler, sondern auch als Diplomat zu erinnern, was seit den Sechzigern möglich ist und potentiell alle Generationen beeinflusst haben mag, müssen die Siegener Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Gedächtnis zu Rubens als Diplomat teilnehmen. Die Siegener Bürgerin oder der Siegener Bürger müsste sowohl an den ästhetischen als auch an den politisch-kognitiven Sinnbildungsangeboten partizipieren. Während das Siegerlandmuseum als Erinnerungsort für Rubens als Maler stets aktuell sein kann, wird sich der Inhalt „Rubens als Diplomat“ je nach gegenwärtigem politischen Interesse relativ schnell wieder in das Speichergedächtnis „zurückziehen“, bis es wieder an Aktualität gewinnt.

Das Schaubergwerk

Das Schaubergwerk, ein künstlich angelegtes Bergwerk, wurde den Museumsbesucher und Museumsbesucherinnen im Jahre 1938 und damit mit der großen Ausstellung „der Deutsche Berg- und Hüttenmann“ zum Westfalentag zugänglich gemacht.47 Die Ausstellung thematisierte das Arbeiten „unter Tage“ sowie die Verhüttungsprozesse und ihre Geschichte. Der Eisenerzabbau im Siegerland hatte eine lange Tradition und deshalb einen großen Stellenwert für die Siegerländerinnen und Siegerländer. Schon in der La- Tenè- Zeit vor über 2500 Jahren wurde im Siegerland Erz abgebaut. Dies beweisen Lehmöfen, die zur Eisenverwertung benutzt wurden.48 Ein über 2500 Jahre alter Lehmofen ist auch heute noch im Siegerlandmuseum ausgestellt.

In dem Vorwort der Begleitbroschüre zur Ausstellung von 1938 betonte Kruse, dass es das Ziel der Ausstellung gewesen sei, die ehemalige Stärke des Standesbewusstseins der Berufe des Berg- und Hüttenmanns zu demonstrieren und solch ein Standesbewusstsein wieder zu entfachen.49 Aber auch der bevorstehende Krieg konnte ein Grund für die Fokussierung auf die Berg-und Hüttenarbeiter gewesen sein.50 Schließlich wurde Eisenerz benötigt, um Waffen und Kanonen herzustellen.

In einem Touristenführer aus dem Jahr 1985 wird das Schaubergwerk als etwas bezeichnet, das „die Erinnerungen (…) wach hält“51. Es kann deshalb angenommen werden, dass das Schaubergwerk zumindest vor 30 Jahren auch für den Teil der Siegener Bevölkerung einen Erinnerungsort darstellte, der direkt oder indirekt an dem Bergwerksleben partizipierte. Aber nicht nur für die Siegener Bevölkerung, sondern ebenso für Menschen aus anderen Regionen, die das Schaubergwerk besuchten, könnte es ein Erinnerungsort geworden sein, sofern es zu ihrer eigenen Identität beigetragen hat und weiterhin trägt. Aktuell wird nicht nur in der Broschüre des Siegerlandmuseums für das Schaubergwerk geworben, in dem es als „besonders eindrucksvoll“52 bezeichnet wird, sondern ebenso in der Zeitung53 sowie auf der Internetseite der Stadt Siegen.54 Außerdem wird das Schaubergwerk im Kurzfilm Eisenstraße Südwestfalen von 201355 thematisiert.

Das Schaubergwerk ist zwar kein authentischer Ort, da es sich um keinen „Originalort“56 handelt, wie Kröll es nennt, sondern nur um eine Attrappe, aber ein Besuch hat dennoch einen gewissen Erlebnisgehalt, da man das Schaubergwerk mit allen Sinnen erfahren kann. Ein Besucherbergwerk, ganz gleich ob Attrappe oder nicht, sollte stets in Zusammenhang mit dem historischen Kontext gebracht werden, damit sich die Besucherinnen und Besucher die harte, gefährliche und dreckige Arbeit der Bergarbeiter bewusster machen kann.

Regelmäßig wird für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren das museumspädagogische Programm „Glück-Auf“57 angeboten, was für den guten Zulauf des Programms spricht. Mit Helm und Lampe ausgestattet, versucht das Siegerlandmuseum, dass sich die Kinder in das Leben eines Bergarbeiters „hineinversetzen“. Diese können Sinnbildungsprozessen unterliegen, die ihr Geschichtsbewusstsein beeinflussen. Natürlich kann innerhalb des museumspädagogischen Programms nicht ansatzweise nachempfunden werden, wie gefährlich und anstrengend die „Arbeit unter Tage“ gewesen ist. Dennoch kann ein emotionales Gruppenerlebnis durchaus bei den Kindern dafür sorgen, dass es in deren kollektiven Gedächtnis gespeichert wird. Dementsprechend kann das Schaubergwerk einen potentiellen Erinnerungsort für die jüngere Generation darstellen, die im Rahmen eines Schulbesuches oder eines museumspädagogischen Programms ein Abenteuer erlebt und sich mit allen Sinnen mit dem damaligen Leben ihrer Verwandten oder der Personen ihrer Heimatstadt näher auseinandersetzen können.

Es stellt also eine Verschiebung der angesprochenen Personengruppen dar. Während in den Achtziger Jahren vor allem die Personengruppen angesprochen wurden, die auf irgendeiner Weise schon Erfahrungen mit der Bergarbeit gemacht hatten, stehen aktuell besonders die jüngere Generation im Fokus, die eventuell noch keinerlei Kenntnisse über die damalige Arbeit im Siegerland gemacht haben und es im museumspädagogischen Programm versuchen selbst nachzuempfinden, wie der Alltag „unter Tage“ hätte sein können. Deshalb stellt das Schaubergwerk aktuell mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Siegener Erinnerungsort für die jüngere Generation dar, kann aber eventuell ebenso noch ein Erinnerungsort für die ältere Generation sein.

Die Mineralienausstellung

Das Siegerlandmuseum beheimatet auch eine Mineralienausstellung, die ursprünglich in der Bergschule beheimatet war. Begleitkataloge zur Mineralienausstellung werden im Museumsshop verschenkt, da sie niemand kaufen wollte. Das ist aber kein Phänomen der letzten Jahre. Schon 1982 stand in der Siegener Zeitung, dass die Mineralienschau Beachtung verdiene, die sie bislang nicht bekommen habe. Das Museum selbst wirbt mit der Mineraliensammlung in ihren Broschüren. Manche Touristen- und Museumsführer erwähnen die Mineraliensammlung erst gar nicht, so der Museumsführer „Museen und Heimatstuben. Siegerland-Wittgenstein“ von Dieter Pfau aus dem Jahr 2001. Andererseits macht aktuell ein Kurzfilm der „Eisenstraße Südwestfalen“60 indirekt auf die Mineraliensammlung aufmerksam, indem die Mineralien unkommentiert gezeigt werden. Das kann darauf hinweisen, dass die Mineralien nur einen ästhetischen Wert für die Bevölkerung haben könnten. Einen Stellenwert wie die Gemälde von Peter Paul Rubens, die selbst in dem Film über die Eisenstraße als Hintergrund für das Interview mit der Museumsleiterin dienen, wird ihnen aber längst nicht zugesprochen. Die Mineralien scheinen sozusagen von den Rubensgemälden „überschattet“ zu werden und stellen wahrscheinlich für den Großteil der Siegener Bevölkerung keinen Erinnerungsort dar.

Die Wohnkultur

Die Wohnkultur des 19. Jahrhunderts wird noch in der aktuellen Museumsbroschüre als eine der großen Ausstellungsbereiche erwähnt und mit Bildern zur Schau gestellt. Sie beinhaltet unter anderem Biedermeiermöbel, eine Küche und eine Schlafstube. In den Medien außerhalb des Siegerlandmuseums hat dieser Ausstellungsbereich an Bedeutung verloren. In Gedichten von Adolf Wurmbach, die in Heimatzeitschriften der dreißiger Jahre erschienen, wurde versucht, die Heimatstube und ihren Wert für die Siegerländer Tradition und Sitte zu vermitteln.

Aktuell wird die Siegerländer Heimatstube in manchen Museumsführern und Broschüren nicht einmal mehr erwähnt. Da sehr stark für die wertvollen Rubensgemälde geworben worden ist, gerät die Heimatstube immer mehr in Vergessenheit. Es ist einfacher, einen weltbekannten Künstler zu vermarkten als eine regionale Heimatstube. Deshalb gerät dieser Ausstellungsbereich immer stärker in Vergessenheit. Dennoch ist es durchaus möglich, dass die Heimatstube ein Erinnerungsort für die heimatverbundene Siegener Bevölkerung ist. So wurde 1983 in einem Zeitungsartikel der Siegener Zeitung betont, dass historisch gewordene Objekte eine „zuverlässige Anschauung von der Wohn- und Lebensform der Urgroßeltern vermitteln“. Sofern das Museum besucht wird, könnten die Besucherinnen und Besucher einen Bezug zwischen ihrer eigenen Lebensgeschichte, ihrer Familie und den Objekten herstellen. Da sich die Exponate zur Wohnkultur auf das 19. Jahrhundert beziehen, wird am ehesten die ältere Generation einen Bezug zu ihnen finden können. Der Ausstellungsbereich zur Wohnkultur des 19. Jahrhunderts kann also ein potentieller Erinnerungsort für Tradition und Sitten der „alteingesessenen“ Siegenerinnen und Siegener sein.

Quellen

Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer

orte/siegerlandmuseum.1471435575.txt.gz · Zuletzt geändert: 2017/10/19 16:18 (Externe Bearbeitung)