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Der Schlosspark

Das „Obere Schloss“ in Siegen ist von einem ausgedehnten Schlosspark umgeben. Ursprünglich dienten die Flächen rund um die nassauische Burg auf dem Siegberg als Nutz- und Blumengarten. Erwähnung als „Schlossgarten“ finden sie erstmals im Jahr 1607. Im 19. Jahrhundert kaufte die Stadt Siegen die Schlossgärten vom preußischen Staat, um sie zu einem Bürgerpark umzugestalten.

Heute zeichnet sich der 1,6 Hektar große Schlosspark durch seinen alten Baumbestand und die Bepflanzung aus. Denkmäler, Skulpturen und Gedenktafeln erinnern an berühmte Persönlichkeiten und bedeutende historische Ereignisse. Zudem haben sich innerhalb der Parkanlage zahlreiche Bauwerke und Verteidigungsanlagen der vergangenen Jahrhunderte erhalten. Im Frühjahr und Sommer finden im Schlosspark regelmäßig Theater- und Musikveranstaltungen statt.

Sachgeschichte

Die Flächen rund um das Obere Schloss wurden bereits im Hochmittelalter in die Stadtbefestigung einbezogen. Sie wurden vom Hause Nassau als Nutz- und Blumengarten genutzt. Die erste Quelle, in der explizit von einem „Schlossgarten“ die Rede ist, stammt aus dem Jahr 1607. Damals nahm Graf Johann der Mittlere von Nassau-Siegen (1561-1623) Residenz im Oberen Schloss und gab eine Neugestaltung der Gartenanlagen in Auftrag.1)

Der historische Park war in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Im östlichen Teil der Anlage befand sich der Blumengarten. Er grenzte an den Sack- und den Hexenturm, zwei spätmittelalterliche Rundtürme, die als Kerker dienten. Vom Blumengarten aus gelangte man durch ein Tor in den Großen Garten. Dieser grenzte im Nordosten an den „Großen Krebs“, einen mächtigen Batterieturm aus dem 17. Jahrhundert, von dem aus der östliche Zugang zur Stadt und das Siegtal bewacht wurden. Vor der Burg, in Richtung der Stadt, lag der sogenannte Hasengarten. An seiner Stelle befindet sich heute der zum Schloss gehörende Parkplatz. Im Jahr 1683 ließ Fürst Johann Franz Desideratus (1627–1699) am Rande dieser Freifläche zwei Befestigungswerke, genannt Jesuitenbastion und Hasengartenbastion, errichten. Sie begrenzen den Park nach Westen hin.

Im 19. Jahrhundert ging das Obere Schloss mitsamt dem Park in den Besitz des preußischen Staates über. Zu dieser Zeit war die Anlage ein teilweise in Terrassen angelegter, von einer Mauer umschlossener Blumengarten. In den 1840er Jahren diente der Park der Stadt Siegen kurze Zeit als Kirchhof, ehe der neue Friedhof am Lindenberg diesen ablöste. 1888 kaufte die Stadt Siegen das Obere Schloss sowie den Schlosspark, der zu einem Bürgerpark umgestaltet werden sollte. Mit Eröffnung des Siegerlandmuseums im Jahr 1905 wurde auch der Schlosspark für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Westfalentag 1938, an dem auch das eigens angelegte Schaubergwerk des Siegerlandmuseums eröffnet wurde, erfuhren auch die Parkanlagen eine Umgestaltung. Freudig verkündete die Siegener Zeitung, dass die Siegener Bevölkerung schon in Kürze in dem neu gestalteten Park spazieren gehen und die Aussicht auf die Stadt genießen könne.2) In Erwartung des nahenden Krieges wurden Mitte der 1930er Jahre zwei Luftschutzbunker auf dem Gelände des Schlossparks errichtet.

Während des Zweiten Weltkriegs erlangte der Park eine besondere Bedeutung als Erholungsort für die Siegener Bevölkerung. Angesichts der durch den Krieg eingeschränkten Reisemöglichkeiten warb die Siegener Zeitung unter der Überschrift „Ferien – daheim erlebt und gestaltet. Rundgang durch die Anlagen am Oberen Schloss“ dafür, die Ferien Zuhause und besonders im Schlosspark zu verbringen.3) Nach dem Luftangriff vom 16. Dezember 1944, bei dem auch das Obere Schloss schwer getroffen wurde, blieb der Schlosspark vorerst sich selbst überlassen. In den folgenden Jahren wurde er nur noch als Gemüsegarten genutzt. Noch 1950 klagte ein Leser der Siegener Zeitung in einer Zuschrift, der Schlosspark sei kein „einladendes Grünplätzchen“4) mehr. Er solle, im Gegensatz zu der „kahlen Stadt“, wieder ein Ort werden, auf den die Bürgerinnen und Bürger stolz sein und an dem sie sich erholen könnten. Und tatsächlich galt der Schlosspark schon wenige Jahre später wieder als „gute Stube“ der Stadt Siegen und wurde in der Siegener Zeitung als „beliebter Aufenthaltsort für alle […], die Naturschönheit, Ruhe und Entspannung suchen“5) angepriesen. Im Winter 1972 begann eine gründliche Umgestaltung des Schlossparks, die pünktlich zur 750-Jahr-Feier der Stadt Siegen 1974 abgeschlossen war. Ziel der Maßnahme war es, eine „Oase der Ruhe und aktiven Freizeitbewegung“6) für die Bevölkerung zu schaffen. 1981 wurde am Oberen Schloss für 500.000 Mark ein Gastronomie-Bereich mit Schlosscafé gebaut. Wenige Jahre später komplettierte ein Musikpavillon am südlichen Ende des Parkgeländes das Freizeitangebot am Oberen Schloss. Die kontinuierliche Um- und Neugestaltung des Geländes dauert bis in die Gegenwart an. Nach dem Abriss der ehemaligen Jugendherberge ist für 2017 und 2018 die Erweiterung des Schlossparks geplant. Zudem sollen Wege, Mauern und der Musikpavillon saniert werden.

Erinnerungskulturelle Debatten

Der Schlosspark stellt allein schon aufgrund seiner großen Bekanntheit einen potenziellen Erinnerungsort für die Siegener Bevölkerung dar. Für viele ist er vermutlich in erster Linie ein Ort der Erholung. Besonders im Frühjahr und Sommer laden die großzügigen Wiesen und prächtigen Blumenbeete zum Verweilen ein. Auch der Blick über die Stadt in Richtung Hüttental bzw. Kaan-Marienborn von den Batterietürmen „Großer Krebs“ und „Kleiner Krebs“ zieht viele Besucherinnen und Besucher an.

Der Schlosspark ist jedoch nicht nur ein Ort zum Entspannen, sondern auch ein kultureller Treffpunkt. Zwischen 1949 und 1966 fanden dort die Siegener Schlossspiele statt, die auf Initiative des Altstadtvereins und des Jugendrings ins Leben gerufen wurden.7) Diese wollten den damals vernachlässigten Schlosspark wieder attraktiver gestalten und zum Mittelpunkt der Stadt machen. Anfangs stand das Fest unter dem Motto „Musik und Gesellschaft“. Mit der Zeit wurde das Programm internationaler und schloss auch Theaterveranstaltungen mit ein.

Das 1989 ins Leben gerufene „Siegener Sommerfestival“ steht in der Tradition der Schlossspiele und bietet eine internationale „Mischung aus Straßentheater, Kabarett, Vokalkonzerten und Weltmusik“8). Gemäß dem Motto „Kultur für alle“ sollen einheimische und zugezogene Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen angesprochen werden. Regional ausgerichtet ist dagegen die seit 1982 stattfindende Konzertreihe „Sonntagnachmittag um 4“, bei der vor allem volkstümliche und klassische Musik von Siegerländer Musikerinnen und Musikern gespielt wird. Beide Veranstaltungsreihen sind nach dreißigjährigem Bestehen schon zur Tradition geworden und somit mögliche Erinnerungsorte, die eng mit dem Schlosspark verknüpft sind.

Neben zahlreichen weiteren Musik- und Unterhaltungsveranstaltungen wie dem Freilichtkino, dem Siegener Rubensfest, dem Theaterfestival und dem Märchenfest oder der „Nacht der 1000 Lichter“ fanden über die Jahre hinweg auch Begegnungsfeste und Demonstrationen im Schlosspark statt. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang das Freundschaftsfest zu nennen, bei dem Vereine und Migrantenorganisationen Informationen, ein Bühnenprogramm und internationale Speisen anbieten. Es wird von der Stadt Siegen gemeinsam mit dem Integrationsrat organisiert und findet seit 1984 jährlich statt. Bedeutend waren auch die Deutsch-Niederländische Woche sowie das Friedensfest gegen die atomare Aufrüstung 1983.9)

Der Schlosspark wird jedoch nicht nur durch seinen Erlebnischarakter und die dort stattfindenden Events zum Erinnerungsort. Personen, die an der regionalen Geschichte interessiert sind, oder Bildungsreisende reizt er möglicherweise eher als historischer Ort, der zahlreiche weitere Siegener Erinnerungsorte in Form von Denkmälern, Skulpturen und Gedenktafeln birgt.

Der Rubensbrunnen

Der von dem Siegener Künstler Hermann Kuhmichel (1898–1965) geschaffene Rubensbrunnen steht im Schlosspark neben dem Hexenturm. Das 1935 der Öffentlichkeit vorgestellte Kunstwerk besteht aus drei weiblichen Figuren, die gemeinsam einen Säugling halten. Sie stehen symbolisch für die Städte Antwerpen, Köln und Siegen, die alle bis ins 20. Jahrhundert für sich in Anspruch nahmen, Geburtsort des berühmten Barockmalers Peter Paul Rubens (1577–1640) zu sein. Eine Bronzeplatte am vorderen Rand des Wasserbeckens erläutert die historischen Hintergründe des Streits. Auf der Internetpräsenz der Stadt Siegen ist der Rubensbrunnen neben dem Schlosspark als eigenständige Sehenswürdigkeit aufgeführt. Dies unterstreicht seinen Stellenwert als Erinnerungsort. Er verweist nicht nur auf die Geburt Rubens‘ in Siegen, sondern kann auch selbst zum Ankerpunkt von Erinnerungen werden. Dies gilt im erhöhten Maße für Heimatverbundene und Kunstinteressierte, die sich auch von der Ästhetik des Kunstwerks angesprochen fühlen.

Der Rubensbrunnen im Schlosspark

Graf Johann der Mittlere von Nassau-Siegen

Ebenfalls von Hermann Kuhmichel geschaffen wurde die Statue Johanns des Mittleren von Nassau-Siegen (1561–1623). Die 1937 enthüllte Großplastik aus Tuffstein stand ursprünglich bei der Heidenberg-Kaserne, wo sie an die Bedeutung des Grafen als Feldherr erinnern sollte. Nach dem Abriss der Kaserne im Jahr 2000 wurde die Statue an die Stadtmauer unterhalb des Schlossparks verlegt. Mit dem Umzug an den neuen Standort war eine neue Wahrnehmung Johanns, der die Hohe Schule Herborn nach Siegen verlegt hatte, als Diplomat und „Begründer der universitären Tradition“ verbunden

Die Statue Johanns an der Stadtmauer

Gedenktafel an Friedrich Flender

Am Eingang zum Hasengarten befindet sich die Tafel zum Gedenken an den Weidenauer Gewerken Friedrich Flender (1674–1707), der dort am 29. März 1707 auf Anordnung des umstrittenen Wilhelm Hyazinth, Fürst zu Oranien und Nassau-Siegen (1667–1743), als „Rädelsführer“ eines Aufstands ohne Gerichtsurteil enthauptet wurde. Der Kulturausschuss des Rates der Stadt Siegen beschloss 2007 anlässlich des 300. Todestages am Ort des Geschehens die Gedenktafel anbringen zu lassen. Im Dezember 2008 folgte die feierliche Einweihung durch Bürgermeister Steffen Mues. Aufmerksame Besucherinnen und Besucher des Parks werden die Tafel aufgrund ihrer prominenten Platzierung sicherlich bemerken. Sie trägt somit dazu bei, die Erinnerung an Friedrich Flender neu zu beleben.

Das Denkmal „Vergesst nicht den deutschen Osten“

Das Denkmal „Vergesst nicht den deutschen Osten“ im Schlosspark ist mittlerweile ein eher umstrittener Erinnerungsort. Es entstand auf Initiative des örtlichen Bundes der Vertriebenen und soll an die Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Grenze erinnern. Im August 1968 wurde es feierlich am „Tag der Heimat“ enthüllt.10) Zwei Betonstelen verweisen auf das geteilte Deutschland, drei waagerechten Balken formen zusammen den Buchstaben „E“, der in diesem Kontext für die deutsche Einheit steht.11) Auf den Balken ist der Appell „VERGESST NICHT DEN DEUTSCHEN OSTEN“ zu lesen, der nach der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu Polen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung neu kontextualisiert und historisiert werden muss.

Während die Mitglieder des Bundes der Vertriebenen jedes Jahr am „Tag der Heimat“ einen Kranz am „Ostdeutschen Mahnmal“ niederlegen, um an ihre verlorene Heimat zu erinnern, wird andernorts bereits über eine Umwidmung nachgedacht. So stand etwa der Vorschlag im Raum, das Ostdeutsche Mahnmal künftig als Denkmal für die Opfer von Flucht und Vertreibung in der ganzen Welt zu nutzen, es also zu internationalisieren.12)

Die Kanonen oberhalb des Hasengartens

Oberhalb des Hasengartens befinden sich vier alte Kanonen. Vorerst auf dem Marktplatz ausgestellt, kamen sie im Jahr 1927 an ihren jetzigen Standort. Zwei von ihnen waren zeitweise bei der Wellersberg-Kaserne aufgestellt gewesen. Die Geschütze wurden vermutlich nie am Oberen Schloss eingesetzt. Wahrscheinlich stammen sie aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges sowie aus schwedischen Beständen. Mit den Kanonen ist ein Mythos verbunden, der noch heute im Volksmund kursiert. Es wird berichtet, dass die katholische Linie des Hauses Nassau-Siegen mächtiger als die reformierte Linie gewesen sei und diese durch die in Richtung des Unteren Schlosses gerichteten Kanonen bedroht habe. Es gibt zwar keine Informationstafel, welche die Herkunft und Bedeutung der Kanonen erläutert, dennoch sind sie durch diesen Mythos ein möglicher Erinnerungsort an die konfessionelle Spaltung.

Natürlich finden sich im Schlosspark neben den oben aufgezählten noch weitere potenzielle Erinnerungsorte wie der Baum der Deutschen Einheit, der 1990 zur Erinnerung an die deutsche Wiedervereinigung gepflanzt wurde, oder das Lanzengitter, welches ursprünglich zur Umzäunung des Herrengartens gehörte. Auch die Gedenktafeln an den Hainer Stollen unter dem Siegberg, der den Nationalsozialisten in der Endphase des Zweiten Weltkriegs als Versteck für Kunstschätze diente, oder für den ersten Direktor des Siegerlandmuseums Dr. Hans Kruse zählen dazu. Letztlich kann davon ausgegangen werden, dass für jeden der genannten Erinnerungsorte auch eine Erinnerungsgemeinschaft, sei sie auch noch so klein, existiert.

Quellen

„Ferien – daheim erlebt und gestaltet: Rundgang durch die Anlagen am Oberen Schloss“, in: Siegener Zeitung vom 25.07.1940.


Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer

1)
Vgl. Gerhard Scholl: Geschichte im Park, in: Reuter (Hg.): Siegen und das Siegerland im Bild, Siegen, 1959, S. 27-28.
2)
„Umgestaltung des Inneren Schloßgartens“, in Siegener Zeitung vom 18.02.1938.
3)
„Ferien – daheim erlebt und gestaltet: Rundgang durch die Anlagen am Oberen Schloss“, in: Siegener Zeitung vom 25.07.1940.
4)
Leserbrief, in: Siegener Zeitung vom 17.06.1950.
5)
„Schloßgarten, die ‚gute Stube‘ der Stadt Siegen“, in: Siegener Zeitung vom 08.08.1953.
6)
“Oase der Ruhe und aktiven Freizeitbewegung. Gartenanlage wird bis 1974 völlig umgekrempelt“, in: Siegener Zeitung vom 15.12.1972.
7)
Vgl. Ursula Blanchebarbe: Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in Siegen, Siegen 2005, S. 30; „Sommerliches Schloßgartenfest“, in: Siegener Zeitung vom 05.07.1950.
8)
Touristikverband Siegerland-Wittgenstein e.V. (Hg.): Reisekatalog „Siegerland-Wittgenstein. BEGEISTERT“, Siegen 2016, S. 14.
9)
Vgl. „Im Schlossgarten blühen wieder 50000 farbige Tulpen. Glanzvolles Programm mit vielen Aktionen und Musik. Siegerlandhallenfest schließt sich an“, in: Siegener Zeitung vom 23.04.1983 ; „Tausende beim Friedensfest im Park des Oberen Schlosses. Demo gegen Raketen. GEW ließ Postkarten verschicken“, in: Siegener Zeitung vom 27.06.1983.
10)
Vgl. „Ostdeutsches Mahnmal bald im Schloßgarten – Übergabe an die Öffentlichkeit am Tag der Heimat durch OB Althaus“, in: Siegener Zeitung vom 23.08.1968.
11)
Vgl. Klaus Merklein: Denkmäler in Siegen. Eine Dokumentation zur politischen Erinnerungskultur im öffentlichen Raum, Siegen 2014, S. 37.
12)
Vgl. „‚Idee ist sehr unanständig‘. Historiker und Künstler referieren über die Möglichkeit, das Denkmal ‚Vergesst nicht den deutschen Osten‘ in ein Flüchtlingsdenkmal umzuwidmen“, in: Siegener Zeitung vom 29.01.2015.
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