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Das Obere Schloss

Das Obere Schloss auf dem 307 Meter hohen Siegberg wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert als Burg erbaut. Die Bezeichnung „Oberes Schloss“ entstand erst im 16. Jahrhundert, und setzte sich durch, als 1695 mit dem Neubau des durch ein Feuer zerstörten „Unteren Schlosses“ begonnen wurde.1) Genau wie die Stadt Siegen selber, befand sich auch das Obere Schloss lange Zeit im gemeinsamen Besitz der Grafen von Nassau und des Erzbischofs von Köln, erst ab 1421 war es in rein nassauischem Besitz. Seit 1888 gehört das Obere Schloss der Stadt Siegen. Heute befindet sich im Oberen Schloss das Siegerlandmuseum, und es ist möglich dort in einem extra eingerichteten Trausaal zu heiraten. Vor allem die Wetterfahne auf der „Welschen Haube“ des Schlosses ist vielen bekannt.

Sachgeschichte

Zum ersten Mal erwähnt wurde das Obere Schloss in einer Urkunde vom 2. September 1259, in der von einer „burch […] zen Sigin“2) die Rede ist. Man kann aber davon ausgehen, dass diese Burg schon früher existierte. Für das Jahr 1224 ist bezeugt, dass dem Erzbischof Engelbert I. von Köln (um 1185–1225) von Graf Heinrich II. (dem Reichen) von Nassau (vor 1190–1247/50) die Hälfte der Münz- und Zolleinnahmen der neu erbauten Stadt Siegen zugesprochen wurde.3) In der Urkunde von 1224 wird unter anderem bestimmt, dass keiner der beiden einen „civem vel castellanmum“, also einen Bürger oder Burgmann, ohne die Zustimmung des anderen aufnehmen darf. Die Erwähnung von Burgmannen deutet darauf hin, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Burg in Siegen bestand.

Außerdem wird bereits angedeutet, dass der Erzbischof von Köln und die Grafen von Nassau nicht nur die Stadt Siegen, sondern auch die dortige Burg unter sich aufgeteilt hatten. Die Art dieser Teilung wird in einem Vertrag zwischen Erzbischof Walram von Köln (1304–1249) und den Grafen Heinrich I. (um 1265–1343) und Otto II. (vor 1329–1350/51) von Nassau-Dillenburg vom 24. Juni 1343 bestimmt.4) Gleichzeitig enthält diese Urkunde Hinweise zum Aufbau der Burg zu der Zeit: dem Erzbischof wurde die Hälfte der Burg in Richtung Sieg zugesprochen, den Grafen die Hälfte in Richtung der Weiss, der Turm, das Tor, der innere Hof und der Brunnen sollten gemeinsam genutzt werden. Allerdings haben weder die Grafen von Nassau noch der Kölner Erzbischof dauerhaft im Oberen Schloss gewohnt: Da die Grafen nicht in einer Stadt residieren konnten, deren Burg ihnen nur zur Hälfte gehörte, verlagerten sie den nassauischen Hof schon zu Zeiten Heinrichs II. von Nassau nach Dillenburg, und das abgelegene Siegen kam auch als Residenz für den Erzbischof von Köln nicht in Frage.

Nach Ende der Doppelherrschaft 1414 wurde die Teilung des Schlosses 1421 in Folge des Arnsberger Erbfolgestreits aufgehoben. Es blieb für die nächsten Jahrhunderte in nassauischem Besitz, wurde aber nur zeitweise als Residenz genutzt. Wilhelm I. von Nassau-Oranien (1533–1584) kämpfte im Achtzigjährigen Krieg für die Niederlande gegen die Spanier und nutzte das Schloss als Zwischenaufenthalt auf seiner Flucht nach Dillenburg. Im Frühjahr 1568 sammelte er hier ein Heer, das ihm bei seinem Befreiungskampf helfen sollte. Sein Bruder Johann VI. (der Ältere) von Nassau-Dillenburg (1536–1606) beherbergte in den Jahren, in denen die Pest in Siegen wütete (1594–1599), den reformierten Theologen und Bibelübersetzer Johannes Piscator (1546–1625) im Oberen Schloss des nun calvinistischen Siegen.

Nach dem Tod Johanns VI. wurde sein Land in fünf Gebiete aufgeteilt, sodass die Grafschaften Nassau-Dillenburg, Nassau-Beilstein, Nassau-Diez, Nassau-Hadamar und Nassau-Siegen entstanden. Einer seiner Söhne, Johann VII. (der Mittlere) von Nassau-Siegen (1561–1623), übersiedelte im Jahr 1607 nach Siegen, um sein Erbe geltend zu machen. Das Obere Schloss, das er restauriert und um Wirtschaftsanlagen und Wehrbauten erweitert hatte, wurde seine Residenz. Zusammen mit dem Soldaten und Militärschriftsteller Johann Jacobi von Wallhausen (1580–1627) gründete er 1616 eine Kriegsschule in Siegen, wahrscheinlich sogar die erste der Welt.5)

Der Sohn Johanns VII., Johann VIII. (der Jüngere; 1583–1638), konvertierte 1612 während einer Italienreise zum Katholizismus. Dies veranlasste seinen – calvinistischen – Vater, sein Testament dahingehend zu ändern, dass sein Erbe zwischen seinen drei Söhnen geteilt werden sollte, so dass der älteste, katholische Sohn nicht alles erhielt. Zwar wurde das Schloss für ihn bestimmt, die Stadt Siegen mit ihren Abgaben sollte aber im Besitz aller Söhne bleiben. Nach dem Tod des Vaters am 27. September 1623 brachte Johann VIII. zunächst die gesamte Grafschaft in seine Hand und begann diese zu rekatholisieren. Aber 1632 konnte sein Bruder Johann Moritz (1604–1679) mit Hilfe des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) die Regierung in Siegen übernehmen und die im väterlichen Testament festgelegte Dreiteilung des Gebietes Nassau-Siegen durchsetzen. Das Obere Schloss wurde nun Sitz der katholischen Linie, während die protestantische Linie ihre Residenz im „Unteren Schloss“, einem ehemaligen Franziskanerkloster nahm.6)

Wilhelm Dilich (1572-1655) – Ansicht von Siegen aus der Hessichen Chronica von 1605.

Nach Aussterben der Linie Nassau-Siegen fiel das Obere Schloss an Wilhelm IV., Prinz von Nassau-Oranien (1711–1751), der in Den Haag residierte. Im Jahr 1743 wurde es zum Dienstsitz der örtlichen Verwaltungsbeamten, denen es in Teilen auch als Wohnung diente. Nachdem es zeitweilig von Napoleon Bonaparte (1769–1821) eingenommen worden war, ging es in den Besitz des preußischen Staates über. Mit der Angliederung an Preußen 1815/16 zog unter anderem das Landratsamt in das Schlossgebäude ein.

1888 erwarb die Stadt Siegen das Obere Schloss für nur 30.400 Mark. Das Anna-Helenen-Stift zog in das Fachwerkgemäuer und die Freimaurerloge bis zur Eröffnung des Siegerlandmuseums 1905 in den Steinbau.7)

„Blick auf das Schloss“, alte Ansicht des Oberen Schlosses auf einer Postkarte vom 31. Juli 1935

Erinnerungskulturelle Debatten

Das Obere Schloss birgt viele potentielle Erinnerungsorte. Nicht nur das Schlossgebäude an sich, sondern auch der im Schloss untergebrachte Trausaal und das Siegerlandmuseum sowie der Schlosspark können Erinnerungsorte für die Siegener Bevölkerung darstellen. Das historische Schlossgebäude mit seiner historischen schmiedeeisernen Wetterfahne wird wahrscheinlich schon aus ästhetischen Gründen bei vielen Personen in Erinnerung bleiben. Die teilweise vergoldete Wetterfahne befindet sich auf der „Welschen Haube“ des Oberen Schlosses, die in ihr eingravierte Zahl „1685“ steht wahrscheinlich für das Jahr der Turmerrichtung. Neben ihrem symbolischen Wert für die Tradition des Eisenabbaus und der Eisenverarbeitung steht die Wetterfahne vor allem für die Stadt Siegen als Ganzes: In einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1951, als die Wetterfahne wieder auf den neuerrichteten, ursprünglich im Krieg zerstörten, Schlossturm gesetzt wurde, schrieb die Siegener Zeitung vom „Wahrzeichen der Heimatstadt“8). Auch werden Bilder von der Wetterfahne in Touristenführern und in Broschüren zur Stadt Siegen abgedruckt.9) In der aktuellen Broschüre „SIEGEN HEISST WILLKOMMEN“10) schmückt ein Bild der „Welschen Haube“ mit der Wetterfahne sogar die Titelseite.

Die „Welsche Haube“ mit der Wetterfahne

Der Trausaal im Oberen Schloss stellt einen potentiellen Erinnerungsort für „erlebnisreiche“ Trauungen dar, wobei in den letzten Jahren immer stärker das „Erlebnisreiche“ in den Fokus gerückt wurde. Die ersten Trauungen, die seit 1997 im Oberen Schloss stattfanden, standen jedoch in der Tradition der historischen Hochzeit von Graf Wilhelm I. (dem Reichen) von Nassau-Katzenellnbogen (1487–1559) und Juliane von Stolberg (1506–1580) die 1531 in der kleinen Kapelle im Oberen Schloss stattgefunden hatte. Seit circa zehn Jahren werden die Trauungen im Oberen Schloss allerdings nicht mehr unter dem nassauischen Wappen in der Alten Kapelle, sondern im dafür eingerichteten Trausaal im Bischofstrakt, gleich neben der gotischen Halle, durchgeführt.

Vor allem seit der Nachkriegszeit ist das historische Gebäude des Oberen Schlosses auch ein potentieller Erinnerungsort für das Haus Nassau, von dem wahrscheinlich die meisten Siegener Schülerinnen und Schüler während ihrer Schulzeit erfahren haben. Die Fokussierung auf die Nassauer geschieht im Zusammenhang mit dem Siegerlandmuseum als potentiellen Erinnerungsort, da sich ein Großteil der Sinnbildungsangebote zum Haus Nassau auf die dazugehörigen Ausstellungen im Siegerlandmuseum bezieht.

Außerdem wird das Schlossgebäude an sich besonders bei der älteren Generation die unterschiedlichsten Erinnerungen hervorrufen. So war in dem Torbogen des Oberen Schlosses die Siegener Webschule untergebracht. Zudem befindet sich dort die nun nicht mehr öffentlich zugängliche Siegerlandmuseums-Bibliothek, deren Bestände 1982 teilweise ins Stadtarchiv übergegangen sind. Schließlich wurden Teile des Schlosses bis in die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges hinein als Wohnung vermietet, sodass wahrscheinlich auch Erinnerungsorte kleiner „Wir-Gruppen“ entstanden sind.

Quellen

„Ferien – daheim erlebt und gestaltet“ - Zeitungsartikel über das Obere Schloss und den Schlosspark, in: Siegener Zeitung vom 25.07.1940

Spendenaufruf an die Bevölkerung, um die Restauration des Oberen Schlosses zu finanzieren, in: Siegener Zeitung vom 28.12.1949.

Altes Wahrzeichen im Wiedererstehen. Vor der Vollendung des Turms im Oberen Schloss, in: Siegener Zeitung vom 4.5.1951.

Bericht über die Rückkehr der Wetterfahne auf den restaurierten Turm des Oberen Schlosses, in: Siegener Zeitung vom 9.05.1951.

Bericht über die Trauungen im Oberen Schloss, in: Siegener Zeitung vom 5.01.2011.

Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer

1)
Ursula Blanchebarbe: Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in Siegen, Siegen 2005, S. 3.
2)
Urkunde von Heinrich, Bischof von Lüttich und Otto, Graf von Geldern vom 2. September 1259, in: Friedrich Philippi (Hg.): Siegener Urkundenbuch. Im Auftrage des Vereins für Urgeschichte und Alterthumskunde zu Siegen und mit Unterstützung der Stadt und des Kreises Siegen. I. Abteilung bis 1350. Mit einer Siegeltafel und einer historischen Karte, Siegen 1887, S. 21 f.
3)
Vgl. Urkunde von 1224, in: Friedrich Philippi (Hg.): Siegener Urkundenbuch. Im Auftrage des Vereins für Urgeschichte und Alterthumskunde zu Siegen und mit Unterstützung der Stadt und des Kreises Siegen. I. Abteilung bis 1350. Mit einer Siegeltafel und einer historischen Karte, Siegen 1887, S. 8.
4)
Vgl. Urkunde von Erzbischof Walram von Köln und den Grafen Heinrich und Otto von Nassau vom 24. Juni 1343, in: Friedrich Philippi (Hg.): Siegener Urkundenbuch. Im Auftrage des Vereins für Urgeschichte und Alterthumskunde zu Siegen und mit Unterstützung der Stadt und des Kreises Siegen. I. Abteilung bis 1350. Mit einer Siegeltafel und einer historischen Karte, Siegen 1887, S. 153–155.
5)
Vgl. Blanchebarbe: Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in Siegen, S. 6-18.
6)
Vgl. Rolf Glawischnig: Art. Johannes VIII., in: NDB 10 (1974), S. 501 f.; Wolfgang Degenhardt: Eine Karriere in den Niederlanden, in: Gerhard Brunn (Hg.): Aufbruch in neue Welten. Der Brasilianer Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604-1679), Siegen, 2004, S. 17–24, hier S. 23.
7)
Ursula Blanchebarbe: Das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss zu Siegen, in: Gerhard Brunn (Hg.): Aufbruch in neue Welten. Der Brasilianer Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604-1679), Siegen, 2004, S.14 f.
8)
„Altes Wahrzeichen im Wiedererstehen“, in: Siegener Zeitung vom 04.05.1951.
9)
So z.B. in den Broschüren zu den „Siegener Schlossspielen“ oder in der Broschüre „Schlösser in Siegen“, herausgegeben von der Stadt Siegen 1983, 10.000 Exemplare.
10)
Gesellschaft für Stadtmarketing e.V. (Hg.): Siegen heißt willkommen, Siegen 2016.
orte/oberes_schloss.1492282432.txt.gz · Zuletzt geändert: 2017/10/19 16:18 (Externe Bearbeitung)