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ideen-traditionen:kriegerdenkmal [2021/08/13 21:10]
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ideen-traditionen:kriegerdenkmal [2021/08/14 10:04] (aktuell)
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 ====== Kriegerdenkmal für die Reichseinigungskriege in der Fissmer-Anlage ====== ====== Kriegerdenkmal für die Reichseinigungskriege in der Fissmer-Anlage ======
  
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 Das Kriegerdenkmal für die Reichseinigungskriege befindet sich heute in der Siegener Oberstadt, direkt neben der Nikolaikirche. Es wurde am 16. August 1877 feierlich enthüllt. Bis 1892 stand das Kriegerdenkmal am unteren Marktplatz. Entwurf und Ausführung stammten von dem bekannten Siegener Bildhauer Friedrich Reusch (1843-1906). Das Kriegerdenkmal repräsentiert den Sieg Deutschlands über Frankreich im Jahr 1870/71 sowie die darauf folgende monarchisch-demokratische Vereinigung des Deutschen Reiches. ​ Das Kriegerdenkmal für die Reichseinigungskriege befindet sich heute in der Siegener Oberstadt, direkt neben der Nikolaikirche. Es wurde am 16. August 1877 feierlich enthüllt. Bis 1892 stand das Kriegerdenkmal am unteren Marktplatz. Entwurf und Ausführung stammten von dem bekannten Siegener Bildhauer Friedrich Reusch (1843-1906). Das Kriegerdenkmal repräsentiert den Sieg Deutschlands über Frankreich im Jahr 1870/71 sowie die darauf folgende monarchisch-demokratische Vereinigung des Deutschen Reiches. ​
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 ===== Sachgeschichte ===== ===== Sachgeschichte =====
  
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 Stilistisch ist das Kriegerdenkmal dem Historismus zuzuordnen. Architektonisch handelt es sich bei dem Bauwerk um neuzeitliche Nationalarchitektur. Das Hauptelement des Denkmals ist die Germania, die, in Form einer Freiplastik,​ eine für die Zeit typische Personifikation darstellt. „Germania“,​ die Mutter der Deutschen, thront auf einem Postament. Ihr fester Blick ist auf die fernen Hügel des Siegerlandes gerichtet. Das Haar ist mit Eichenlaub bekränzt. Die linke Hand hält ein zu Boden gerichtetes Schwert, die rechte umklammert einen Siegerkranz. Germanias stolzes Gesicht erinnert an Feldherren der römisch-griechischen Antike. Genau wie ihr Gewand, das wie eine altgriechische Tunika ihren kräftigen Leib bedeckt. Stilistisch ist das Kriegerdenkmal dem Historismus zuzuordnen. Architektonisch handelt es sich bei dem Bauwerk um neuzeitliche Nationalarchitektur. Das Hauptelement des Denkmals ist die Germania, die, in Form einer Freiplastik,​ eine für die Zeit typische Personifikation darstellt. „Germania“,​ die Mutter der Deutschen, thront auf einem Postament. Ihr fester Blick ist auf die fernen Hügel des Siegerlandes gerichtet. Das Haar ist mit Eichenlaub bekränzt. Die linke Hand hält ein zu Boden gerichtetes Schwert, die rechte umklammert einen Siegerkranz. Germanias stolzes Gesicht erinnert an Feldherren der römisch-griechischen Antike. Genau wie ihr Gewand, das wie eine altgriechische Tunika ihren kräftigen Leib bedeckt.
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 Wandert der Blick an ihrem Gewand herunter, so bleibt er unweigerlich an Germanias rechtem Fuß hängen. Dieser ist auf einem Kanonenrohr positioniert –  eine eindeutige Pose der Unterdrückung. Doch was unterdrückt Germania? Die Einschneidungen auf dem Kanonenrohr geben darüber Aufschluss: Die Krone und das große „N“ sind Kaiser Napoleon III. von Frankreich zuzuordnen. Die Unterjochungs-Geste bezieht sich also auf die Nation Frankreich. Um den Sieg der Deutschen und die Unterjochung des französischen Erbfeindes nun gänzlich im Bildgedächtnis des Betrachters und der Betrachterin zu manifestieren,​ hockt zudem ein Reichsadler mit riesigen Krallen und gespreizten Flügeln auf dem französischen Kanonenrohr. Die Botschaft ist eindeutig: Die Deutschen haben die Franzosen nicht nur vernichtend geschlagen, sie sichern zudem den Frieden. Die französischen Waffen sind unschädlich gemacht worden und werden von den deutschen Genien bewacht. Die junge Nation Deutschland kann sich nun ganz auf ihre friedvolle Vereinigung fokussieren. Wandert der Blick an ihrem Gewand herunter, so bleibt er unweigerlich an Germanias rechtem Fuß hängen. Dieser ist auf einem Kanonenrohr positioniert –  eine eindeutige Pose der Unterdrückung. Doch was unterdrückt Germania? Die Einschneidungen auf dem Kanonenrohr geben darüber Aufschluss: Die Krone und das große „N“ sind Kaiser Napoleon III. von Frankreich zuzuordnen. Die Unterjochungs-Geste bezieht sich also auf die Nation Frankreich. Um den Sieg der Deutschen und die Unterjochung des französischen Erbfeindes nun gänzlich im Bildgedächtnis des Betrachters und der Betrachterin zu manifestieren,​ hockt zudem ein Reichsadler mit riesigen Krallen und gespreizten Flügeln auf dem französischen Kanonenrohr. Die Botschaft ist eindeutig: Die Deutschen haben die Franzosen nicht nur vernichtend geschlagen, sie sichern zudem den Frieden. Die französischen Waffen sind unschädlich gemacht worden und werden von den deutschen Genien bewacht. Die junge Nation Deutschland kann sich nun ganz auf ihre friedvolle Vereinigung fokussieren.
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 Das viereckige Postament zeigt auf vier Tafeln die Namen von Gefallenen aus den Schlachten der Reichseinigungskriege. Die Ecken sind mit Plastiken deutscher Militärhelme verziert, welche die verschiedenen Truppengattungen im preußischen Heer repräsentieren. ​ Das viereckige Postament zeigt auf vier Tafeln die Namen von Gefallenen aus den Schlachten der Reichseinigungskriege. Die Ecken sind mit Plastiken deutscher Militärhelme verziert, welche die verschiedenen Truppengattungen im preußischen Heer repräsentieren. ​
  
-{{gallery>​ideen-traditionen:​germaniakanonedetail.jpg?​400|Symbol des besiegten Frankreichs}} ​Das Kriegerdenkmal repräsentiert den Denkmaltypus des Nationalmonuments,​ der vor, während und nach der Reichsgründung 1870/71 einen regelrechten „Bauboom“ erfuhr. Da Denkmäler stets im öffentlichen Raum wirken, zielen ihre Bildgegenstände auf ein kollektives Bildbewusstsein. Dieses wurde im Fall der Nationalmonumente im Kaiserreich durch euphemistisch-prunkvoll inszenierte Symbolik traditionsbewusst und altehrwürdig eingesetzt. Die Berufung auf alte Werte und Tugenden, die im Kriegerdenkmal zum Beispiel in Form der antikisierenden Tracht der Germania oder dem Reichsadler wiedergegeben werden, verbindet im Glanz der Umbrüche auf politischer Ebene Staatliches und Künstlerisches,​ Politik und Lebenswelt. Eine Inszenierung der Politik im öffentlichen Raum manifestierte und legitimierte so die Herrschaft und die daran gebundenen Taten der Herrschenden. Die Germania als Personifikation der deutschen Nationalidee bot sich für diesen Zweck besonders an. So wurden während des „Baubooms“ zahlreiche Germania-Denkmäler in deutschen Städten errichtet. Germania repräsentierte,​ manifestierte und legitimierte den ideologischen Umbruch, der auf nationaler Ebene stattfand, und vermittelte diesen von Berlin bis in die Provinz. ​+Das Kriegerdenkmal repräsentiert den Denkmaltypus des Nationalmonuments,​ der vor, während und nach der Reichsgründung 1870/71 einen regelrechten „Bauboom“ erfuhr. Da Denkmäler stets im öffentlichen Raum wirken, zielen ihre Bildgegenstände auf ein kollektives Bildbewusstsein. Dieses wurde im Fall der Nationalmonumente im Kaiserreich durch euphemistisch-prunkvoll inszenierte Symbolik traditionsbewusst und altehrwürdig eingesetzt. Die Berufung auf alte Werte und Tugenden, die im Kriegerdenkmal zum Beispiel in Form der antikisierenden Tracht der Germania oder dem Reichsadler wiedergegeben werden, verbindet im Glanz der Umbrüche auf politischer Ebene Staatliches und Künstlerisches,​ Politik und Lebenswelt. Eine Inszenierung der Politik im öffentlichen Raum manifestierte und legitimierte so die Herrschaft und die daran gebundenen Taten der Herrschenden. Die Germania als Personifikation der deutschen Nationalidee bot sich für diesen Zweck besonders an. So wurden während des „Baubooms“ zahlreiche Germania-Denkmäler in deutschen Städten errichtet. Germania repräsentierte,​ manifestierte und legitimierte den ideologischen Umbruch, der auf nationaler Ebene stattfand, und vermittelte diesen von Berlin bis in die Provinz. ​
  
 Die Darstellung der Siegener Germania zeigt dabei den abgeschlossenen Prozess eines symbolträchtigen Bildes. Die Personifikation der Germania, einst Symbol für die oppositionelle Nationalbewegung 1848, durchlief, genau wie die spätere Nation, die sie repräsentierte,​ eine Entwicklung. Vergleicht man die Siegener Germania mit früheren Darstellungen (s. in etwa Düsseldorfer Malerschule), ​ so zeigt sich im Besonderen in ihrem Gemütszustand eine starke Veränderung. War die Germania, die 1848 die oppositionelle Revolution verkörperte,​ eher mit einer wütenden, rebellierenden,​ kampfbereiten Walküre zu vergleichen,​ die sich aus den Ketten der konservativen Politik befreien wollte, so ist die Germania, die von ebendiesen konservativen Politikern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Symbol der Reichseinigung genutzt wird, eine befriedete, umsorgende, gelassene Siegerin, die sich nichts mehr beweisen muss. Während des 19. Jahrhunderts durchlebte die Darstellung der Germania also einen den innen- und außenpolitischen Ereignissen entsprechenden Prozess: Die Revolutions-Germania,​ die wütend die Reichsidee verteidigte,​ entwickelte sich zu einer Wächterin, die nach und durch die Reichsgründung unter dem proklamierten deutschen Kaiser Wilhelm I. fortan nur noch auf die entschärften Waffen der Erbfeinde aufpassen muss. Die Darstellung der Siegener Germania zeigt dabei den abgeschlossenen Prozess eines symbolträchtigen Bildes. Die Personifikation der Germania, einst Symbol für die oppositionelle Nationalbewegung 1848, durchlief, genau wie die spätere Nation, die sie repräsentierte,​ eine Entwicklung. Vergleicht man die Siegener Germania mit früheren Darstellungen (s. in etwa Düsseldorfer Malerschule), ​ so zeigt sich im Besonderen in ihrem Gemütszustand eine starke Veränderung. War die Germania, die 1848 die oppositionelle Revolution verkörperte,​ eher mit einer wütenden, rebellierenden,​ kampfbereiten Walküre zu vergleichen,​ die sich aus den Ketten der konservativen Politik befreien wollte, so ist die Germania, die von ebendiesen konservativen Politikern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Symbol der Reichseinigung genutzt wird, eine befriedete, umsorgende, gelassene Siegerin, die sich nichts mehr beweisen muss. Während des 19. Jahrhunderts durchlebte die Darstellung der Germania also einen den innen- und außenpolitischen Ereignissen entsprechenden Prozess: Die Revolutions-Germania,​ die wütend die Reichsidee verteidigte,​ entwickelte sich zu einer Wächterin, die nach und durch die Reichsgründung unter dem proklamierten deutschen Kaiser Wilhelm I. fortan nur noch auf die entschärften Waffen der Erbfeinde aufpassen muss.
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 //Auszug aus „Die Feier der Enthüllung des Kriegerdenkmals in Siegen, verbunden mit dem 1. Verbandsfest der Krieger-Vereine“ – Publikation von C. Buchholz (Siegen: Selbstverl.) über die Enthüllungsfeier des Kriegerdenkmal vom 16.08.1877. (Gesamtwerk:​ http://​digital.ub.uni-duesseldorf.de/​ihd/​content/​titleinfo/​8446966;​ aufgerufen am: 13.08.2021)//​ //Auszug aus „Die Feier der Enthüllung des Kriegerdenkmals in Siegen, verbunden mit dem 1. Verbandsfest der Krieger-Vereine“ – Publikation von C. Buchholz (Siegen: Selbstverl.) über die Enthüllungsfeier des Kriegerdenkmal vom 16.08.1877. (Gesamtwerk:​ http://​digital.ub.uni-duesseldorf.de/​ihd/​content/​titleinfo/​8446966;​ aufgerufen am: 13.08.2021)//​
  
-Artikel „Das "holde Weib Germania"​ - Das Kriegerdenkmal am Siegener Krönchen“ aus dem „Regioport Siegerland“ von Timo Lange +[[https://​www.regioport-siegerland.de/​de/​siegen/​das-holde-weib-germania-das-kriegerdenkmal-am-siegener-kr%C3%B6nchen.html|Artikel „Das "holde Weib Germania"​ - Das Kriegerdenkmal am Siegener Krönchen“ aus dem „Regioport Siegerland“ von Timo Lange]]
-https://​www.regioport-siegerland.de/​de/​siegen/​das-holde-weib-germania-das-kriegerdenkmal-am-siegener-kr%C3%B6nchen.html ​+
  
-Niederschrift über die die 3. Sitzung des Kulturausschusses vom 21.04.2015 +[[https://​sitzungsdienst.kdzws.net/​gkz090/​sdnetrim/​UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZUHOinTP8NqTHWUxH887njwr60AYz3siq8ccHA0KSuji/​Oeffentliche_Niederschrift_Kulturausschuss_21.04.2015.pdf#​search=Germania|Niederschrift über die die 3. Sitzung des Kulturausschusses vom 21.04.2015]] 
-https://​sitzungsdienst.kdzws.net/​gkz090/​sdnetrim/​UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZUHOinTP8NqTHWUxH887njwr60AYz3siq8ccHA0KSuji/​Oeffentliche_Niederschrift_Kulturausschuss_21.04.2015.pdf#​search=Germania ​+ 
 +[[http://​www.siwiarchiv.de/​18271-2/​|Blogeintrag „, Germania‘-Denkmal soll an das Obere Schloss in Siegen versetzt werden“ aus dem siwiarchiv.de vom 29.08.2018]]
  
-Blogeintrag „, Germania‘-Denkmal soll an das Obere Schloss in Siegen versetzt werden“ aus dem siwiarchiv.de vom 29.08.2018 
-[[http://​www.siwiarchiv.de/​18271-2/​|]] 
  
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ideen-traditionen/kriegerdenkmal.1628881816.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/08/13 21:10 von armchairtimetraveller