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ideen-traditionen:erinnerungsort [2016/10/25 17:24]
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ideen-traditionen:erinnerungsort [2017/01/17 23:59]
matthias.opitz [Sachgeschichte]
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 Die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer sozialen Gruppe bewirkt nach Halbwachs die Übernahme ihrer kollektiven Erinnerungen. Umgekehrt hat das Verlassen einer Erinnerungsgemeinschaft oder ihre Auflösung auch den Verlust der gemeinsamen Erinnerungen zur Folge – die Erinnerungsorte ‚erkalten‘ somit. Das kollektive Gedächtnis ist laut Maurice Halbwachs ein Merkmal menschlicher Gemeinschaften. Streng genommen gibt es also eine Vielzahl kollektiver Gedächtnisse und jeder einzelne Mensch hat an mehreren davon teil. Allerdings bewahren Gruppen Erinnerungen nicht einfach bloß auf, sondern bringen auch selbst neue Erzählungen und Interpretationen der Vergangenheit durch Aushandlungsprozesse hervor. Dabei sind die Gegenwart und die aktuellen Bedürfnisse der Menschen ausschlaggebend – in Zeiten der Not sind etwa andere Erinnerungen von Bedeutung als in Zeiten des Wohlstandes und positive Erinnerungen werden anders verarbeitet als negative oder mit Scham behaftete. Die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer sozialen Gruppe bewirkt nach Halbwachs die Übernahme ihrer kollektiven Erinnerungen. Umgekehrt hat das Verlassen einer Erinnerungsgemeinschaft oder ihre Auflösung auch den Verlust der gemeinsamen Erinnerungen zur Folge – die Erinnerungsorte ‚erkalten‘ somit. Das kollektive Gedächtnis ist laut Maurice Halbwachs ein Merkmal menschlicher Gemeinschaften. Streng genommen gibt es also eine Vielzahl kollektiver Gedächtnisse und jeder einzelne Mensch hat an mehreren davon teil. Allerdings bewahren Gruppen Erinnerungen nicht einfach bloß auf, sondern bringen auch selbst neue Erzählungen und Interpretationen der Vergangenheit durch Aushandlungsprozesse hervor. Dabei sind die Gegenwart und die aktuellen Bedürfnisse der Menschen ausschlaggebend – in Zeiten der Not sind etwa andere Erinnerungen von Bedeutung als in Zeiten des Wohlstandes und positive Erinnerungen werden anders verarbeitet als negative oder mit Scham behaftete.
  
-Erinnerungsorte entstehen allerdings nicht immer nur auf natürliche Weise ‚von unten‘, d. h. innerhalb der Erinnerungsgemeinschaften. Daneben sind ‚Erinnerungsspezialistinnen und Erinnerungsspezialisten‘ wie Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer,​ Museumsfachleute,​ Archivare und Archivarinne oder Denkmalpfleger und Denkmalpflegerinnen sowie mitunter auch Laien oder semi-professionelle Akteure aus Heimatvereinen oder der Werbe- und Tourismusbranche an der Entstehung bzw. Etablierung von Erinnerungsorten im kollektiven Gedächtnis beteiligt. Dabei wird teilweise aktiv versucht, ein bestimmtes Geschichtsbild zu vermitteln. Manchmal geschieht dies mehr oder weniger als Nebenprodukt,​ vor allem, wenn Erinnerungsorte für touristische Zwecke benutzt werden. ​(Vgl. Bernd Schönemann:​ Geschichtsdidaktik,​ Geschichtskultur,​ Geschichtswissen-schaft,​ in: Günther-Arndt (Hrsg.): Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekun-darstufe I und II. 4. Auflage, Berlin, 2009, S. 18f;)+Erinnerungsorte entstehen allerdings nicht immer nur auf natürliche Weise ‚von unten‘, d. h. innerhalb der Erinnerungsgemeinschaften. Daneben sind ‚Erinnerungsspezialistinnen und Erinnerungsspezialisten‘ wie Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer,​ Museumsfachleute,​ Archivare und Archivarinne oder Denkmalpfleger und Denkmalpflegerinnen sowie mitunter auch Laien oder semi-professionelle Akteure aus Heimatvereinen oder der Werbe- und Tourismusbranche an der Entstehung bzw. Etablierung von Erinnerungsorten im kollektiven Gedächtnis beteiligt. Dabei wird teilweise aktiv versucht, ein bestimmtes Geschichtsbild zu vermitteln. Manchmal geschieht dies mehr oder weniger als Nebenprodukt,​ vor allem, wenn Erinnerungsorte für touristische Zwecke benutzt werden. ​
  
 Nicht nur Pierre Nora, sondern auch die deutsche Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und ihr Mann, der Kulturwissenschaftler Jan Assmann, haben sich von Maurice Halbwachs‘ Überlegungen inspirieren lassen. Sie entwickelten dessen Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis weiter und unter-scheiden zwischen einem kurzlebigen,​ dynamischen kommunikativen einem dauerhaften kulturellen Gedächtnis. Das kommunikative Gedächtnis dient in erster Linie der Bewältigung des täglichen Lebens. Die darin bewahrten gemeinsamen Erinnerungen beruhen auf der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation und gehen nach nur etwa drei bis vier Generationen verloren. Im Gegensatz dazu ist das kulturelle Gedächtnis in seiner Lebensdauer nicht begrenzt, da es sich auf langfristig bestehende, institutionalisierte Ankerpunkte wie Texte, Bilder und Riten stützt. Mittlerweile genießt das Konzept der Erinnerungsorte eine enorme Popularität. Die Konzepte von Maurice Halbwachs, Pierre Nora sowie Jan und Aleida Assmann stellen bei weitem nicht die einzigen, wohl aber die einflussreichsten Ansätze zur Erforschung kollektiver Erinnerung dar. Nicht nur Pierre Nora, sondern auch die deutsche Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und ihr Mann, der Kulturwissenschaftler Jan Assmann, haben sich von Maurice Halbwachs‘ Überlegungen inspirieren lassen. Sie entwickelten dessen Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis weiter und unter-scheiden zwischen einem kurzlebigen,​ dynamischen kommunikativen einem dauerhaften kulturellen Gedächtnis. Das kommunikative Gedächtnis dient in erster Linie der Bewältigung des täglichen Lebens. Die darin bewahrten gemeinsamen Erinnerungen beruhen auf der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation und gehen nach nur etwa drei bis vier Generationen verloren. Im Gegensatz dazu ist das kulturelle Gedächtnis in seiner Lebensdauer nicht begrenzt, da es sich auf langfristig bestehende, institutionalisierte Ankerpunkte wie Texte, Bilder und Riten stützt. Mittlerweile genießt das Konzept der Erinnerungsorte eine enorme Popularität. Die Konzepte von Maurice Halbwachs, Pierre Nora sowie Jan und Aleida Assmann stellen bei weitem nicht die einzigen, wohl aber die einflussreichsten Ansätze zur Erforschung kollektiver Erinnerung dar.
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