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ereignisse:luftangriff_vom_16._dezember_1944 [2017/05/01 01:11]
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 ====== Bombenangriff auf Siegen am 16. Dezember 1944 ====== ====== Bombenangriff auf Siegen am 16. Dezember 1944 ======
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 +--- //​[[redaktion@zeitraum-siegen.de|Matthias Opitz]] //
  
 Am Samstag, dem 16. Dezember 1944 ereignete sich der erste große Luftangriff der Alliierten auf Siegen. Bei dem nur wenige Minuten andauernden Bombardement wurde die Siegener Altstadt beinahe völlig zerstört und 348 Menschen kamen ums Leben, darunter 32 ausländische Gefangene, die in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten. Das Ereignis hat als Tragödie Eingang in die Stadtgeschichte sowie das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung gefunden und ist bis heute Gegenstand erinnerungskultureller Debatten. Am Samstag, dem 16. Dezember 1944 ereignete sich der erste große Luftangriff der Alliierten auf Siegen. Bei dem nur wenige Minuten andauernden Bombardement wurde die Siegener Altstadt beinahe völlig zerstört und 348 Menschen kamen ums Leben, darunter 32 ausländische Gefangene, die in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten. Das Ereignis hat als Tragödie Eingang in die Stadtgeschichte sowie das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung gefunden und ist bis heute Gegenstand erinnerungskultureller Debatten.
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 ==== Der 16. Dezember 1944 ==== ==== Der 16. Dezember 1944 ====
  
-Am Samstag, dem 16. Dezember 1944 kam es schließlich zum ersten schweren Bombenangriff auf Siegen. Um 14:45 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst, doch da der Klang der Sirenen für die Bevölkerung im mittlerweile sechsten Kriegsjahr schon längst Teil des Alltags war und die alliierten Bomberverbände Siegen bisher verschont hatten, versäumten viele es zunächst, Schutz zu suchen. Als um 14:53 Uhr jedoch akute Luftgefahr vermeldet wurde, bestand kein Zweifel mehr, dass ein Angriff bevorstand. Kurz nach 15 Uhr war der englische Verband aus 108 viermotorigen Bombern vom Typ Lancaster über Siegen und lud seine Bomben ab. Das Bombardement dauerte nur wenige Minuten, verursachte jedoch enorme Schäden in der bislang weitgehend unzerstörten Stadt. Der Angriff forderte 348 Menschenleben,​ ohne die umfangreichen Luftschutzmaßnahmen wäre die Zahl der Toten und Verletzten jedoch vermutlich weit höher ausgefallen. ​+Am Samstag, dem 16. Dezember 1944 kam es schließlich zum ersten schweren Bombenangriff auf Siegen. Um 14:45 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst, doch da der Klang der Sirenen für die Bevölkerung im mittlerweile sechsten Kriegsjahr schon längst Teil des Alltags war und die alliierten Bomberverbände Siegen bisher verschont hatten, versäumten viele es zunächst, Schutz zu suchen. Als um 14:53 Uhr jedoch akute Luftgefahr vermeldet wurde, bestand kein Zweifel mehr, dass ein Angriff bevorstand. Kurz nach 15 Uhr war der englische Verband aus 92 viermotorigen Bombern vom Typ Lancaster über Siegen und lud seine Bomben ab. Das Bombardement dauerte nur wenige Minuten, verursachte jedoch enorme Schäden in der bislang weitgehend unzerstörten Stadt. Der Angriff forderte 348 Menschenleben,​ ohne die umfangreichen Luftschutzmaßnahmen wäre die Zahl der Toten und Verletzten jedoch vermutlich weit höher ausgefallen. ​
  
 ==== Weitere Angriffe auf Siegen ==== ==== Weitere Angriffe auf Siegen ====
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 Der 16. Dezember stellte den Auftakt für eine Reihe weiterer Luftschläge dar. Der zweite Großangriff ereignete sich am 1. Februar 1945. 282 Flugzeuge griffen die Region an, wobei sowohl Siegen als auch die Ortschaften Kaan-Marienborn,​ Flammersbach und Gernsdorf schwer getroffen wurden. 176 Menschen kamen ums Leben. Wenige Wochen vor der Befreiung Siegens durch amerikanische Truppen, am 12. März, folgte schließlich der dritte und letzte schwere Luftangriff mit 69 Todesopfern. Der 16. Dezember stellte den Auftakt für eine Reihe weiterer Luftschläge dar. Der zweite Großangriff ereignete sich am 1. Februar 1945. 282 Flugzeuge griffen die Region an, wobei sowohl Siegen als auch die Ortschaften Kaan-Marienborn,​ Flammersbach und Gernsdorf schwer getroffen wurden. 176 Menschen kamen ums Leben. Wenige Wochen vor der Befreiung Siegens durch amerikanische Truppen, am 12. März, folgte schließlich der dritte und letzte schwere Luftangriff mit 69 Todesopfern.
  
-Insgesamt wurde Siegen von Januar ​bis März 1945 insgesamt ​sechsmal bombardiert,​ daneben kam es zu zahllosen Vorfällen, bei denen Einzelflugzeuge ​Bomben abwarfen oder die Stadt mit Bordwaffen beschossen.((Kleinere Angriffe ereigneten sich am 29. Januar (25 Tote), am 19. Februar (23 Tote), sowie am 17. und am 23. März (24 bzw. 7 Tote).)) Am Ende des Kriegs wiesen über 4000 Gebäude in Siegen Bombenschäden auf, die Stadt lag fast vollständig in Trümmern. Insgesamt forderten die alliierten Luftangriffe auf Siegen 715 Todesopfer.+Zwischen ​Januar ​und März 1945 wurde Siegen ​sechsmal bombardiert,​ daneben kam es zu zahllosen Vorfällen, bei denen einzelne Flugzeuge ​Bomben abwarfen oder die Stadt mit Bordwaffen beschossen.((Kleinere Angriffe ereigneten sich am 29. Januar (25 Tote), am 19. Februar (23 Tote), sowie am 17. und am 23. März (24 bzw. 7 Tote).)) Am Ende des Kriegs wiesen über 4000 Gebäude in Siegen Bombenschäden auf, die Stadt lag fast vollständig in Trümmern. Insgesamt forderten die alliierten Luftangriffe auf Siegen 715 Todesopfer.
  
 ==== Der deutsche Raketenangriff auf Antwerpen ==== ==== Der deutsche Raketenangriff auf Antwerpen ====
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 Parallel zur Etablierung der jährlichen Gedenkstunden auf dem Marktplatz wurde ab 1951 in Bevölkerung und Verwaltung der Ruf nach einer Gedenkstätte für die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus laut. Eine eigens gegründete private Arbeitsgemeinschaft verlieh dieser Forderung zusätzlich Nachdruck. Parallel zur Etablierung der jährlichen Gedenkstunden auf dem Marktplatz wurde ab 1951 in Bevölkerung und Verwaltung der Ruf nach einer Gedenkstätte für die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus laut. Eine eigens gegründete private Arbeitsgemeinschaft verlieh dieser Forderung zusätzlich Nachdruck.
  
-Im Oktober 1954 beschloss der Rat der Stadt, im Dicken Turm des Unteren Schlosses „für die Opfer des Ersten und zweiten ​Weltkriegs“ – so der Wortlaut des Ratsbeschlusses – eine Gedenkstätte mit Glockenspiel einzurichten. Auch die Landesregierung,​ in deren Besitz sich das Untere Schloss befand, erteilte im folgenden Jahr ihre Zustimmung, sodass der Ausbau der Gedenkstätte am 1. April 1959 beginnen konnte. Über dem Eingang wurde der Schriftzug „Verweile – Gedenke“ angebracht. Zusätzlich erinnerte die Bronzeplastik „Die Ausschauende“ des Weidenauer Bildhauers Hermann Kuhmichel (1898-1965) an den Wunsch nach Frieden und der Rückkehr deutscher Kriegsgefangener. Am 16. Dezember 1959, dem 15. Jahrestag des Angriffs, folgte die offizielle Einweihungszeremonie. Von da an fanden die jährlichen Gedächtnisveranstaltungen zum 16. Dezember stets an der Gedenkstätte im Dicken Turm statt, zumeist wurde dabei das Glockenspiel geläutet und ein Kranz niedergelegt. ​+Im Oktober 1954 beschloss der Rat der Stadt, im Dicken Turm des Unteren Schlosses „für die Opfer des Ersten und Zweiten ​Weltkriegs“ – so der Wortlaut des Ratsbeschlusses – eine Gedenkstätte mit Glockenspiel einzurichten. Auch die Landesregierung,​ in deren Besitz sich das Untere Schloss befand, erteilte im folgenden Jahr ihre Zustimmung, sodass der Ausbau der Gedenkstätte am 1. April 1959 beginnen konnte. Über dem Eingang wurde der Schriftzug „Verweile – Gedenke“ angebracht. Zusätzlich erinnerte die Bronzeplastik „Die Ausschauende“ des Weidenauer Bildhauers Hermann Kuhmichel (1898-1965) an den Wunsch nach Frieden und der Rückkehr deutscher Kriegsgefangener. Am 16. Dezember 1959, dem 15. Jahrestag des Angriffs, folgte die offizielle Einweihungszeremonie. Von da an fanden die jährlichen Gedächtnisveranstaltungen zum 16. Dezember stets an der Gedenkstätte im Dicken Turm statt, zumeist wurde dabei das Glockenspiel geläutet und ein Kranz niedergelegt. ​
  
 Nachdem das Ziel der Errichtung einer Gedenkstätte am Dicken Turm erreicht war, rückte das Gedenken an den Luftangriff etwas in den Hintergrund. Zwar erschienen in der lokalen Presse jährlich Artikel, die sich mit der Wiederkehr des Angriffs befassten, doch waren sie weder sonderlich umfangreich noch prominent platziert. Angesichts des Desinteresses der Bevölkerung an der Gedenkfeier am Dicken Turm fragte ein Leser der Siegener Zeitung, dessen Brief in der Ausgabe vom 17. Dezember 1960 erschien: „Haben wir denn wirklich alles schon vergessen?​“. Nachdem das Ziel der Errichtung einer Gedenkstätte am Dicken Turm erreicht war, rückte das Gedenken an den Luftangriff etwas in den Hintergrund. Zwar erschienen in der lokalen Presse jährlich Artikel, die sich mit der Wiederkehr des Angriffs befassten, doch waren sie weder sonderlich umfangreich noch prominent platziert. Angesichts des Desinteresses der Bevölkerung an der Gedenkfeier am Dicken Turm fragte ein Leser der Siegener Zeitung, dessen Brief in der Ausgabe vom 17. Dezember 1960 erschien: „Haben wir denn wirklich alles schon vergessen?​“.
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 Auch in anderen Zusammenhängen wurde an die Zerstörung Siegens erinnert. Die Ausstellung „Kriegsende 1945 in Siegen“, die 2004 – 2005 im ehemaligen Kaufhof-Gebäude zu sehen war, berücksichtigte den Luftangriff auf Siegen in besonderer Weise und machte der breiten Öffentlichkeit eine Vielzahl von Quellen zugänglich,​ darunter eigens aufgezeichnete Interviews mit Zeitzeugen. Zudem erschien eine aufwändige Dokumentation in Buchform. Auch in anderen Zusammenhängen wurde an die Zerstörung Siegens erinnert. Die Ausstellung „Kriegsende 1945 in Siegen“, die 2004 – 2005 im ehemaligen Kaufhof-Gebäude zu sehen war, berücksichtigte den Luftangriff auf Siegen in besonderer Weise und machte der breiten Öffentlichkeit eine Vielzahl von Quellen zugänglich,​ darunter eigens aufgezeichnete Interviews mit Zeitzeugen. Zudem erschien eine aufwändige Dokumentation in Buchform.
  
-Im Jahr 2008 versuchten rechtsextreme Gruppierungen,​ die Erinnerung an die Bombardierung Siegens für ihre politischen Zwecke zu vereinnahmen. Dagegen formierte sich unter Federführung ​des DBG ein Aktionsbündnis mit dem Namen „Siegen für Demokratie“ und rief zu einer Gegendemonstration für Frieden und Verständigung auf. In der ganzen Stadt erinnerten Veranstaltungen an die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus und ein alternativer Stadtrundgang führte entlang der Stätten des nationalsozialistischen Terrors. Erneut wurde betont, dass die Luftangriffe auf Siegen keinesfalls ‚aus dem Nichts‘ erfolgten, sondern als ein Resultat des vom nationalsozialistischen Deutschland zu verantwortenden Kriegs zu sehen sind. Etwa 3000 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Veranstaltung mit dem Namen „GehDenken“ teil, die seitdem fester Bestandteil der regionalen Erinnerungskultur geworden ist. +Im Jahr 2008 versuchten rechtsextreme Gruppierungen,​ die Erinnerung an die Bombardierung Siegens für ihre politischen Zwecke zu vereinnahmen. Dagegen formierte sich unter Führung ​des DGB ein Aktionsbündnis mit dem Namen „Siegen für Demokratie“ und rief zu einer Gegendemonstration für Frieden und Verständigung auf. In der ganzen Stadt erinnerten Veranstaltungen an die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus und ein alternativer Stadtrundgang führte entlang der Stätten des nationalsozialistischen Terrors. Erneut wurde betont, dass die Luftangriffe auf Siegen keinesfalls ‚aus dem Nichts‘ erfolgten, sondern als ein Resultat des vom nationalsozialistischen Deutschland zu verantwortenden Kriegs zu sehen sind. Etwa 3000 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Veranstaltung mit dem Namen „GehDenken“ teil, die seitdem fester Bestandteil der regionalen Erinnerungskultur geworden ist. 
  
 Auch der deutsche V2-Angriff auf Antwerpen rückte immer mehr ins öffentliche Bewusstsein. 2009 nahm der Stadtrat fraktionsübergreifend einen Antrag der Fraktion „Die Linke“ an, dem alliierten Luftangriff auf Siegen und dem deutschen Raketenbeschuss Antwerpens künftig gemeinsam zu gedenken.((Artikel:​ Fraktionsübergreifender Antrag für den 16. Dezember... Gedenken auch an Angriff auf Antwerpen, in: Westfalenpost vom 25.11.2009; Artikel: Zweiter Weltkrieg. Befehl für Raketenangriff kam aus Siegen, in: Westfalenpost vom 20.11.2009.)) Auch der deutsche V2-Angriff auf Antwerpen rückte immer mehr ins öffentliche Bewusstsein. 2009 nahm der Stadtrat fraktionsübergreifend einen Antrag der Fraktion „Die Linke“ an, dem alliierten Luftangriff auf Siegen und dem deutschen Raketenbeschuss Antwerpens künftig gemeinsam zu gedenken.((Artikel:​ Fraktionsübergreifender Antrag für den 16. Dezember... Gedenken auch an Angriff auf Antwerpen, in: Westfalenpost vom 25.11.2009; Artikel: Zweiter Weltkrieg. Befehl für Raketenangriff kam aus Siegen, in: Westfalenpost vom 20.11.2009.))
  
 ===== Quellen ===== ===== Quellen =====
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 +[[https://​www.karl-heupel.de/​medien/​krieg_im_siegerland/​index.htm|16.12.1944:​ Informationen zum Tage, in: Karl Heupel/​Medienzentrum Siegen-Wittgenstein ]]
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 +[[https://​www.karl-heupel.de/​medien/​krieg_im_siegerland/​index.htm|Audioarchiv:​ Zeitzeugen zur Zerstörung Siegens 1944, in: Karl Heupel/​Medienzentrum Siegen-Wittgenstein]]
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 +===== Materialien für den Geschichtsunterricht =====
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 +Das Material wurde ausgewählt,​ um eine multiperspektivische Betrachtung des regionalen Kriegsereignisses zu gewährleisten und das Thema der deutschen „Heimatfront“ als zentralen Faktor zur Aufrechterhaltung der Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg differenzierend in den Geschichtsunterricht einzubringen. ​
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 +{{ :​ereignisse:​zeitraumsiegen_material_16dezember1944.pdf |Zum Download der Unterrichtsmaterialien}}
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 {{:​ereignisse:​fo_262.jpg?​200|}} {{:​ereignisse:​fo_262.jpg?​200|}}
ereignisse/luftangriff_vom_16._dezember_1944.1493593907.txt.gz · Zuletzt geändert: 2017/10/19 16:18 (Externe Bearbeitung)