Die Hüttentalstraße (HTS)

Matthias Opitz

Die Hüttentalstraße, kurz HTS genannt, ist eine Bundesstraße im Ballungsraum Siegen und der umliegenden Region. Ihren Namen verdankt sie der ehemaligen Stadt Hüttental auf dem heutigen Gebiet der HTS, die 1975 in die Stadt Siegen eingegliedert wurde. Die HTS prägt das Siegener Stadtbild entscheidend. Aufgrund der topografischen Begebenheiten wurde sie über lange Strecken auf Betonstelzen gebaut und führt somit über die Dächer der Stadt hinweg.

Der Verlauf der HTS durch Siegen, fotografiert vom Oberen Schloss aus (Foto: ZEIT.RAUM Siegen)

Das Projekt war von Anfang an umstritten. Lärmbelästigung, aufwändige Baumaßnahmen, hohe Kosten und nicht zuletzt die Erscheinung der HTS riefen mehrfach den Widerspruch der Bevölkerung hervor. Heute hat die Siegener Bevölkerung sich mit der HTS weitgehend arrangiert, für viele ist sie nicht mehr wegzudenken.

Sachgeschichte

Die HTS verläuft überwiegend vierspurig über rund 28 Kilometer von Norden, wo sie nahtlos an die Autobahn 4 angeschlossen ist, nach Süden und trifft dort auf die Autobahn 45.

Die ab der Anschlussstelle Kreuztal-Krombach („Krombacher Höhe“) als B54 und ab dem Knotenpunkt „City-Galerie“ als B62 geführte Straße sorgt für eine spürbare Verkehrsentlastung. Allein der Abschnitt zwischen den Abfahrten „Weidenau“ und „Sieghütte“ zählt im Durchschnitt ein tägliches Verkehrsaufkommen von 51.200 Fahrzeugen, wovon 5,5 % auf den Schwerlastverkehr entfallen.

Der Bau begann im Jahr 1974. Bereits 1978 wurden dann die ersten Teilstücke auf Siegener Stadtgebiet, die Rampe an der Siegerlandhalle sowie die Bahnüberführung in Weidenau, für den Verkehr freigegeben. Seitdem wurde die Hüttentalstraße beständig erweitert, ihre mittlerweile über vierzig Jahre andauernde Baugeschichte ist jedoch von zahlreichen Konflikten geprägt.

Ab 1980 erfolgte der Weiterbau in Richtung der Anschlussstelle „Sieghütte“. Im Norden wurde die HTS in Richtung Kreuztal erweitert. Dabei kam es 1980 erstmalig in der Geschichte der Stadt zu Hausbesetzungen durch Anwohner und Studierende, die sich in der „Initiative erhaltet Wohnraum- rettet unsere Naherholungsgebiete“ zusammengeschlossen hatten und den Abriss eines Hauses, welches dem Weiterbau der Hüttentalstraße weichen sollte, verhindern wollten. Sie kritisierten, durch die Baumaßnahmen werde das Stadtbild weiter verschlechter, konnten diese aber letztlich nicht verhindern.

Um die Streckenführung wurde auch weiterhin gestritten. 1983 verhinderte ein Gerichtsbeschluss einen Weiterbau der HTS nach Niederschelden entlang der Sieg und auch beim Ausbau in Richtung Kreuztal reagierte die betroffene Bevölkerung im Kreis Olpe (Gemeinde Wenden) mit Einwänden und sogar Klagen, da sie die Zerstörung der Natur und des Waldbestandes fürchteten. Andererseits erhofften sich viele Menschen in der Region vor allem ökonomische Vorteile von der HTS. So sollte der Anschluss Kreuztals an die Hüttentalstraße einen weiteren Schritt in Richtung eines „urbanen Lebens im Kreuztaler Stadtzentrum“ 1), wie es in der Siegener Zeitung hieß, bringen.

1991 wurde zwischen Buschhütten und Fellinghausen ein neues Teilstück der HTS für den Verkehr freigegeben und feierlich eingeweiht. In südlicher Richtung konnten bis 1998 die Stadtmitte und die neu errichtete City-Galerie angeschlossen werden. Im Zuge dessen waren sowohl der Ziegenbergtunnel als auch der Wellersbergtunnel neu errichtet worden. Abermals kam es dabei zu Konflikten. Während des Baus des Ziegenbergtunnels von 1994 bis 1998 protestierten die Anwohner gegen die jahrelange Staub- und Lärmbelästigung, welche auch Schäden an den Fassaden ihrer Häuser hinterlassen habe.

Im Jahr 2006 gelang durch den der Anschluss an das Autobahnkreuz Olpe-Süd der Lückenschluss an die Bundesautobahn 4 in Richtung des Rheinlands. Im Spätsommer 2016 schließlich wurde letzte große Erweiterung der HTS der Straße in Richtung Mudersbach-Niederschelderhütte fertiggestellt. Die Planungen für dieses Teilstück dauerten mehr als zwei Jahrzehnte. Nachdem ein Gericht den südlichen Weiterbau der HTS in Richtung Süden entlang der Sieg im Jahr 1983 gerichtlich untersagt hatte, dauerte es bis ins Jahr 2009, ehe die alternative Streckenführung inklusive des Bühltunnels beschlossen wurde. Als aufgrund von Klagen gegen den Bau weitere Verzögerungen drohten, schlossen sich Siegener Bürgerinnen und Bürger zur „Initiative Pro HTS“ zusammen, um ihre Unterstützung für das Vorhaben zum Ausdruck zu bringen. Auch bei Abstimmungsproblemen mit der Deutschen Bahn AG im Jahr 2013 trat das Aktionsbündnis auf den Plan, um für die zügige Fertigstellung des Teilstücks zu demonstrieren. Im Mai 2017 wurde die HTS mit der Freigabe der Abfahrt Siegen-Eiserfeld für den Verkehr nach 43 Jahren Bauzeit schließlich vollendet.

Erinnerungskulturelle Debatten

Früh war allen Beteiligten klar, dass die Hüttentalstraße das Stadtbild Siegens tiefgreifend verändern würde. Die Westfalenpost fasste den Grundtenor der Diskussion über die HTS bereits 1991 in der Überschrift „Traumstraße oder Alptraum“2) zusammen. Der Autor des Artikels stellte die Frage, ob es sich bei der HTS um eine gelungene, nutzbare Stadtautobahn oder einen von „gigantomanischen Bürokraten“ ins Leben gerufenen Alptraum handele.

Sich der Kritik an der HTS durchaus bewusst, versuchten die die Verantwortlichen in Straßenbauamt und Kommunalpolitik wiederholt, die Straße auf positive Art und Weise ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. So wurden zur Eröffnung des Ziegenbergtunnels 1998 unter Mithilfe des Westdeutschen Rundfunks ein Tag der offenen Tür sowie ein abendlicher Tunnel-Rave organisiert. Über 20.000 Menschen nahmen an der Veranstaltung mit dem Motto: „HTS-Heute tanzt Siegen“ teil und hatten dabei Gelegenheit, die künftige Stadtautobahn zu Fuß zu begehen.

In jüngster Vergangenheit fand eine ähnliche, wenn auch kleinere Veranstaltung zur Eröffnung des neuen HTS-Bühltunnels statt. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW organisierte einen Tunnellauf, bei dem das letzte Teilstück der Hüttentalstraße für einen Tag als Joggingstrecke umfunktioniert wurde.

Dass Diskussionen um die HTS jedoch nicht nur verkehrspolitische oder ökonomische Aspekte, sondern auch Fragen der regionalen Identität berührt, ist anhand der Diskussionen um den Weiterbau der Straße im Kreis Olpe erkennbar. Schon in den 90er Jahren sahen dort viele Menschen durch die HTS das Landschaftsbild und die Reputation als waldreiche Gegend gefährdet. Im Jahr 2005 dann wurde um eine mögliche Umbenennung des Autobahnkreuzes „Olpe Süd“ gestritten. Aufgrund der höheren Einwohnerzahl Siegens müsse die Anbindung im Zuge des Anschlusses der Hüttentalstraße an die A4 in „Siegen-Nord“ umbenannt werden, so die Befürworter. Während die Westfalenpost schrieb „Siegen träumt vom eigenen Kreuz“3), folgten aus dem Kreis Olpe zahlreiche Protestschreiben und Einwände von Bürgerinnen und Bürgern, die sich durch die drohende Umbenennung eines Teils ihrer Identität beraubt fühlten. Schließlich wurde die Idee fallengelassen.

Rückblickend bleibt die 1998 in der Westfalenpost erschienene Karikatur „Vom Untier zum Kuscheltier“ von Matthias Kringe auch heute aktuell.4) Die Frage, ob „der Lindwurm des Hüttentals“ jedoch wirklich seinen Schrecken verloren hat, müssen die Siegerländerinnen und Siegerländer für sich selbst beantworten.

Bei einer im Jahr 2016 von Studierenden der Universität Siegen durchgeführten Straßenumfrage gab die große Mehrheit der Befragten an, dass sie die HTS als Teil des Stadtbildes akzeptiert habe. Aussagen wie „Sie ist praktisch und nun mal einfach da“, „Ich kenne das Bild nicht anders“, „Sie war etwas neues und dann gehörte es dazu“ oder „praktisch, jedoch wenig ästhetisch“ standen jedoch auch deutlich negativere Beschreibungen wie „hässlich, grau und laut“, „Betonklotz“, „massiv, laut, unschöner Ort“ entgegen.

Quellen

Bild des Blumenhangs an der Freudenberger Straße, in: Siegener Zeitung (1999), 3.07.1999.

Zeitungsartikel über die Eröffnung des Bauabschnitts zwischen Fellinghausen und der Dreisbach, in: Westfalenpost (1998), 28.11.1998.

Zeitungsinterview mit Günter Lewejohann, dem ehemaligen Leiter des Landesstraßenbauamtes, in: Westfalenpost (1998), 28.11.1998.

Eine Dokumentation der Hausbesetzung des „Hotel Klein“ in der Koblenzerstraße von 1980. http://www.mao-projekt.de/BRD/NRW/ARN/Siegen_Hausbesetzung_1980_Hotel_Klein.shtml

Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer

1)
Vgl. Jungfernfahrt mit Pauken und Trompeten, in: Siegener Zeitung vom 14.12.1991.
2)
Vgl. Traumstraße oder Alptraum, in: Westfalenpost vom 12.12.1991.
3)
Vgl. Siegen träumt vom eigenen Kreuz, in: Westfalenpost vom 29.02.2005.
4)
Kringe, Matthias: Vom Untier zum Kuscheltier, in: Westfalenpost vom 28.11.1998.
orte/hts_-_huettentalstrasse.txt · Zuletzt geändert: 2018/07/11 14:47 von redaktion